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Wer wollte den Tod von Muguruza?

Für den Mord an dem baskischen Parlamentarier standen mehrere Rechtsextreme, darunter Polizisten und ein Generalssohn, vor Gericht/ Die meisten Fragen blieben offen  ■ Aus Madrid Antje Bauer

Mein Mandant war nur für seine Familie und für seine Arbeit da. In rechtsextremistischen Kreisen war er kaum bekannt“, deklamiert der Verteidiger in seinem Plädoyer. „Und jetzt will ich erst einmal seinen Vater würdigen, der 1986 von der ETA hinterhältig ermordet wurde.“ „Bravo“, schreit das Publikum und klatscht. Der Richter schweigt. Draußen hat die rechtsextremistische Organisation „Nación Joven“ die Hauswände mit Plakaten zur Verteidigung des biederen Familienvaters beklebt und „Freiheit für Ynestrillas“ gefordert. Drinnen, im Nationalen Gerichtshof von Madrid, sitzen die Familienangehörigen des Angeklagten im Pelz und seine Gesinnungsgenossen mit kurzen Haaren und der Nationalfahne auf dem Parka hinter dem Panzerglas. Vom Angeklagten Ricardo Sainz de Ynestrillas selbst ist nur der Stiernacken zu sehen, von seinem Nachbarn, dem Polizisten Angel Duce, der Ansatz eines schwarzen Vollbarts. So harmlos sehen rechtsextreme Mörder aus.

Am 20. November 1989, so die Anklage, drangen Ynestrillas und der Polizist Duce mit Tarnkappen auf dem Kopf und Pistolen in der Hand in das Restaurant des Madrider Hotels Alcalá ein. Dort saßen gerade zehn Personen beim Abendessen, Parlamentarier der ETA-nahen Gruppierung „Herri Batasuna“ sowie Journalisten der baskischen Tageszeitung Egin. Die Eindringlinge schossen mehrfach auf die Essenden, töteten den jungen Abgeordneten Josu Muguruza und verletzten den Abgeordneten und bekannten Anwalt Inaki Esnaola schwer. Dann flüchteten sie.

Das Attentat löste in Spanien Bestürzung aus. Nicht nur, weil seit 1986 keine Anschläge mehr gegen Linksnationalisten stattgefunden hatten, sondern auch weil sich Herri Batasuna (HB) gerade an einem Wendepunkt befand. Nach jahrelangem Streit sah es danach aus, daß die radikal baskische Partei sich stärker auf den spanischen Staat einlassen wollte. Am Tag nach dem Abendessen sollten die neugewählten HB-Parlamentarier auf die Verfassung vereidigt werden und wollten sich erstmals darauf einlassen. Der Mord an Muguruza beendete die Ambitionen des parlamentarischen Flügels: Seine Protagonisten – wie der verletzte Esnaola und der Anwalt Txema Montero – zogen sich aus der aktiven Politik zurück und überließen den Hardlinern das Feld. – Im Juli nach dem Anschlag wurden der 24jährige Rechtsradikale Ynestrillas, der Polizist Duce und weitere fünf Personen festgenommen. Einem Polizeispitzel hatte Duce anvertraut, daß er und Ynestrillas die Autoren des Anschlags seien, eine Aussage, die von einer Freundin von Duce, Yolanda Gonzalez, die ebenfalls unter Anklage gestellt wurde, bestätigt wurde.

Duce, dessen rechtsradikale Einstellung seinen Kollegen im Madrider Polizeirevier Chamberi bekannt war, gestand seine Täterschaft, schwieg aber über Ynestrillas. Dieser war kein unbeschriebenes Blatt. Sein Vater, Kommandeur beim Militär, war nach Francos Tod in mehrere Putschversuche verwickelt und 1986 einem Attentat der ETA zum Opfer gefallen. An einem der Putschversuche soll sich auch Ynestrillas Sohn Ricardo beteiligt haben. Der junge Ricardo verbrachte zwei Jahre im Knast, weil er einem Polizisten die Dienstwaffe abgenommen hatte, wurde wegen Sprengstoffherstellung 1983 zu einer Geldstrafe verurteilt und beteiligte sich an mehreren rechtsradikalen Überfällen auf Kommunisten. Er war Mitglied in rechtsextremistischen Gruppen. Eine Woche vor dem Anschlag auf Muguruza hatte Ricardo beim Prozeß gegen die Mörder seines Vaters „Rache“ gefordert.

Der Prozeß gegen Ynestrillas, Duce, Yolanda Gonzalez sowie einen weiteren Polizisten und einen waffenhandelnden Juwelier begann Mitte Januar und ging am Dienstag in Madrid zu Ende. Das Urteil wird später gefällt. Zur Tat gab der Polizist Duce an, daß er sich für die ETA-Attentate rächen wollte. Er kaufte vom Juwelier López eine Pistole, woanders eine zweite und führte gemeinsam mit zwei Komplizen, deren Namen er nicht preisgeben wollte, das Attentat durch. Einen Attentatsversuch auf den inzwischen verstorbenen linken Anwalt Fernando Salas bestritt er. Er habe Salas nur einen Schreck einjagen wollen.

Ynestrillas hat von Anfang an seine Beteiligung an den Anschlägen bestritten. Erst spät besorgte er sich ein nicht sehr glaubwürdiges Alibi von seiner Ehefrau. Über Politik will er mit Duce nie gesprochen haben. Den Aussagen Ynestrillas wird freilich von einem Polizeispitzel und von der Mitangeklagten Yolanda Gonzalez wiedersprochen.

Ungeklärt blieb vieles: die Leichtigkeit, mit der sich Polizist Duce Waffen und Sprengstoff besorgen konnte. Woher die Täter wußten, daß die HB-Abgeordneten an jenem Abend im Hotel Alcalá speisen würden (obwohl die das erst eine Stunde zuvor beschlossen hatten). Die Geschwindigkeit, mit der die beiden Attentäter hinterher verschwanden. Die Identität des dritten Mannes, der vor dem Hotel auf sie wartete.

Floren Aoiz, Parteisprecher von HB, wiederholte im Prozeß die Meinung, die seine Gruppe nach dem Mord immer vertreten hat: Hinter den Angeklagten steckt, so Aoiz, der Staatsapparat. Eine nicht beweisbare Behauptung.

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