Der Marsch des Blauen Kamels

■ Der libanesische Komponist Rabih Abou-Khalil gastiert heute beim NDR

gastiert heute beim NDR

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2å Darunter, daß die „Musik der ersten Welt in der dritten weit weniger fremd ist als umgekehrt“, litt Rabih Abou-Khalil anfänglich, als er vor dreizehn Jahren aus Beirut nach München kam. „Ich dachte, wer will in Europa schon Oud hören.“ Deswegen setzte er sein dort begonnenes Studium der klassischen Querflöte in der bayrischen Hauptstadt fort. Doch bald merkte er, daß er sich auf dem Oud, einem Vorläufer der europäischen Laute und der Gitarre, das über das maurische Andalusien nach Europa kam, natürlicher ausdrücken kann.

Dennoch fühlt sich Rabih (arabisch: Frühling) Abou-Khalil nicht als Verwalter arabischer Tradition. Das Wort „Tradition“ hat für ihn vielmehr einen versteiften Akzent, da auch diese Musik sich weiterentwickelt. Auch mit dem Begriff „Weltmusik“, unter dem der Musikmarkt Musiker wie ihn gerne führt, hat Rabih Abou-Khalil seine Probleme. „Er dient eher der Ausgrenzung als der Zusammenführung von Kulturen“, sagt der Komponist, der auch schon für das Kronos Quartett gearbeitet hat. „Die bayrische Volksmusik zum Beispiel wird nicht unter 'Weltmusik' geführt. Ist sie keine?“

Die Seele seiner Musik ist nicht, wie im modalen Jazz, die Veränderung der Harmonie, sondern die des Rhythmus. Seine Kompositionen leben vom Wechselspiel zwischen Solisten und Begleiter (in der Regel dem Perkussionisten) und von der orientalischen Melodieführung, die gemäß der arabischen Tonleiter für Mitteleuropäer „untemperiert“ klingt.

Und obwohl zu seinen jeweiligen Sidemen Musiker mit den unterschiedlichsten musikalischen Wurzeln zählen, bleibt seine Musik stets dem orientalischen Habitus verpflichtet. Jazzige, indische oder Afro-Nuancen integrieren sich mühelos in sein Konzept. Bei seiner letzten Aufnahme wirkten etwa Charlie Mariano, der Bassist Steve Swallow, die Perkussionisten Ramesh Shotam, Nabil Khaiat und Milton Cardona und der Trompeter Kenny Wheeler mit. Die Arbeit trägt den Titel Blue Camel. „Das Kamel hat blaue Farbe, weil es nicht vollkommen arabisch ist“.

Die Kompositionen von Khalil betreten nicht nur für europäische Verhältnisse ein neues Land. „Ich versuche, die instrumentale arabische Musik zu emanzipieren, weil sie in der Regel vokale Musik ist“. Bewußt bewegt er sich in einem Grenzland zwischen Kulturen, denn „es gibt keine reine Kultur. Die Marschmusik ist z.B. türkisch“. „Erst wenn man das begriffen hat, ist man bereit, andere Kulturen zu verstehen.“ Und seine Heimat? Hat er Sehnsucht nach Beirut? „Wenn ich in München bin, habe ich Sehnsucht nach Beirut, und wenn ich dort bin nach München. Ich fühle mich als Heimatloser.“

Seine Begleiter heute abend sind Ramesh Shotam aus Madras, Nabil Kahiat aus Damaskus und der Bassist Jonas Hellborg. Nikos Theodorakopulos

NDR, Studio 10, 20 Uhr. Sendung am 27. März, 22.05 Uhr, NDR 3