Reformer für die freie Schulwahl

■ Schulreformkommission will Behörde reduzieren / Mehr Autonomie, Elterneinfluß, Schülerfreiheit

Wenn es nach dem fachlichen Rat von den sechs überregional ausgewiesenen Pädagogen geht, die Bremen zur Beratung in seine „Schulreformkommission“ berufen hat, dann wird demnächst eine alte Oppositionsforderung verwirklicht: Völlig frei sollen SchülerInnen der Sek.-II ihre Schule anwählen können. Und: Im Rahmen von fünf großen bremischen Regionen sollen auch Sek-I-SchülerInnen frei wählen dürfen. Schulen sollen dazu mehr Autonomie haben, um ein eigenes Profil entwickeln zu können, mit dem sie um Zuspruch bei Schülern (und Eltern) konkurrieren können. Schüler und Eltern sollen „stärker beteiligt“ werden, Grundschulklassen sollen nicht größer werden. „Brüche“ zwischen den einzelnen Stufenschulen sollen geringer werden, möglichst ganz vermieden werden. Die „Orientierungsstufe“ soll versuchsweise an die Grundschule angegliedert werden.

160 Seiten dick ist das Gutachten, das die Schulreformkommission gestern der Öffentlichkeit vorstellte zur Debatte über die „Weiterentwicklung“ des bremischen Schulsystems. Ausdrücklich haben die Experten, so betonte Prof. Klafki als Leiter der Kommission, darauf geachtet, daß sie mit ihren Vorschlägen eng an den Adressaten bleiben — was nützen die schönsten Modelle, wenn sie nicht angenommen werden, erklärte der Pädagoge.

Und so hat das dicke Papier breite Zustimmung gefunden. Die SPD sieht sich darin bestätigt, daß die Einrichtung der Stufenschulen mit ihren Schulzentren eine richtige Weichenstellung war. Der FDP sagen die Pädagogen, daß Paragraf 3 des Schulgesetzes - die „integrierte Stufenschule“ — nicht haltbar ist und „ergänzt“ werden sollte: auch „stufenübergreifende“ Integration müsse Ziel der Schulpolitik sein.

Die Bildungsbehörde soll weniger Aufsichtsbehörde sein und stattdessen ein „verläßlicher Reformpartner“ werden, Eltern sollen mehr Mitbestimmungsrechte erhalten, Sparpolitik sei „am wenigstens zu rechtfertigen im Grundschulbereich und im Hinblick auf Lernhilfen für sozial Schwache“.

Insbesondere für die Integration von beruflicher und allgemeiner Bildung haben die Reformer neue Anregungen gegeben. „Realgymnasiale Bildungsgänge“ könnten eingerichtet werden und, so das Beispiel von Klafki: Warum soll ein SEK-II- Schüler nicht als Leistungsfächer Latein und Eletrotechnik wählen dürfen? Insgesamt behindere die derzeit noch praktizierte starre Kursteilung ein „interdiszipliäres Lernen“. Nirgends in Bremen haben die Reformer ein Leistungsfach Ökologie gefunden, die fremdsprachlichen Kenntnisse nach jahrelangem Sprachunterricht seien dürftig. Das „Integrationspotential“ an den bremischen Schulzentren sei nicht entfernt bisher ausgeschöpft“ (Klafki). Damit das alles nun besser werden kann, muß das Weiterbildungs-Institut für Lehrer, WIS, eine ganz neue Rolle bekommen, und auch die Lehrerausbildung müßte reformiert werden.

Überwältigt von so viel gutem Willen fragte die FDP-Bildungspolitikerin Annelene von Schoenfeld ganz vorsichtig, ob man „so viele ältere Lehrer noch so motivieren kann“.

K.W.