Eifriges Treiben im Äther

Berliner und internationale Immobilienkonzerne drängen auf regionalen TV-Markt/ Heute Vergabe von zwei Fernsehfrequenzen  ■ Von Ilona Marenbach

Berlin. Einst waren sie dicke Freunde, jetzt sind sie erbitterte Rivalen: Ulrich Schamoni, Gründer des Heimatsenders Hundert,6, und sein (einstiger) Chefredakteur Georg Gafron. Beide haben sich beim Medienrat Berlin-Brandenburg um eine Fernsehfrequenz für ein regionales Vollprogramm beworben. Während Gafron mit Hilfe des örtlichen Baukartells versucht, den Medienrat zu überzeugen, hat sich Schamoni mit internationalen Investoren zusammengetan. Dabei hatte Schamoni Ende 1991 noch versucht, gemeinsam mit Gafron und den Hundert,6- Gesellschaftern ins Fernsehgeschäft einzusteigen. Doch die Herren um Bauunternehmer Erich Marx verweigerten Schamoni die Gefolgschaft. Solchermaßen kaltgestellt, blieb ihm nur der Rückzug.

Da er im Berliner Sumpf aus Baumafia und CDU-Lobby keine anderen Geldgeber fand, suchte er Finanziers in Übersee. Der Medienkonzern Time Warner, der in den USA an verschiedenen TV- Stationen beteiligt ist, zeigte sich interessiert. Ihm schloß sich die Central European Developement Corporation (CEDC) an, die am ehemaligen Checkpoint Charlie ein gigantisches Geschäftszentrum bauen will. Während sich das Lizenzverfahren in Sachen Regional-TV hinzog, bauten Time Warner und die CEDC ihr Europaengagement aus. Mit 19,61 Prozent ist Time Warner beim Berliner Nachrichtensender n-tv eingestiegen, und die CEDC hat schon mal in der Tschechischen Republik eine Fernsehlizenz ergattert. Als dritter Großinvestor taucht der britische Devisenhändler George Soros auf. Er gehört zu den reichsten Männern der Welt. Er hat allein im vergangenen Jahr, als das britische Pfund kurzfristig aus dem Europäischen Währungssystem ausschied, mit Devisenspekulationen 1,47 Milliarden Dollar erzielt. Seine Gewinne legt der gebürtige Ungar gerne in Osteuropa an.

Das eifrige Treiben von Schamoni blieb der alten Berliner Baulobby um Hundert,6 nicht verborgen. Obwohl man sich nicht sicher ist, ob der Werbemarkt groß genug ist, um ein regionales Vollprogramm zu finanzieren, wollte man den Konkurrenten aus Übersee das Feld nicht kampflos überlassen. Vermischen sich bei beiden doch medienökonomische mit baulobbyistischen Interessen. Es geht nicht nur ums Fernsehgeschäft, sondern auch darum, ob die Berliner Baubranche, die jahrzehntelang völlig abgeschottet den Markt unter sich aufteilen konnte, von den wirklichen Bau-, Spekulations- und Investmentcracks aus USA abgedrängt wird. Zur Durchsetzung der eigenen Interessen kann ein Sender wunderbare Dienste leisten, das wissen vor allem die Herren von Hundert,6.

Hauptgesellschafter der zweiten Bewerbergruppe, TBB-TV, ist mit 23 Prozent Karsten Klingbeil, einst mächtiger Konzernchef des Klingbeilunternehmens, das seit seinem Ausscheiden von Klaus Groenke und Axel Guttmann (beide direkt oder indirekt über Sohn und Ehefrau Hundert,6-Gesellschafter) geführt wird. FDP- Mitglied Erich Marx hält 10 Prozent der Anteile. Rechtsanwalt Karlheinz Knauthe, erfolgreichster Anwalt der Baubranche, zeichnet 15 Prozent als Treuhänder für Brandenburger Unternehmen. Über zwei Filmgesellschaften ist der Berliner Produzent Otto Meissner mit 20 Prozent dabei, und auch Horst Wendland (Realtofilm) hat 10 Prozent. Als einzige Nichtberliner Gesellschaft kommt die Burda Beteiligungs GmbH hinzu. Komplettiert wird der Kreis vom Konzertveranstalter Peter Schwenkow, seinem Kompagnon Michael Poetter und einem Herren namens Reter Zühlsdorf. Schwenkows Concert Concept ist gleichzeitig über die Vermarktungsgesellschaft Mediatainment mit Hundert,6 verbandelt. Sie regelt die Lokalakquise des Froschfunks. Georg Gafron, Schamonis Widersacher und guter Freund von CDU-Fraktionschef Klaus-Rüdiger Landowsky, hält sich (noch) vornehm als Berater im Hintergrund. Er ist aber die treibende Kraft, wenn es zum Beispiel um Verhandlungen mit der Münchner Kirch-Gruppe (Taurus Film) für die Filmzulieferung geht. Die Verbindung TBB-TV/Kirch bereitet dem Medienrat, neben den Bausumpfverstrickungen, die größten Schwierigkeiten, geht es dem Gremium doch um die Begrenzung von Konzentration im deutschen Fernsehen. Die Frage ist, ob sich Kirchs Einfluß auf die Programmzulieferung beschränkt oder ob er zum Beispiel über Verflechtungen mit TBB-Gesellschaftern tiefer drinsteckt, als es scheint. Gute Verbindungen hat zum Beispiel Otto Meissner noch aus ZDF-Zeiten zum Münchner Medienmogul. Meissner war beim Mainzer Sender für den Spielfilmeinkauf zuständig, und das tat er gerne bei Kirch.

Der Medienrat, der heute über die Anträge zu entscheiden hat, wird nicht nur von TBB-TV und Schamoni TV bedrängt, auch TAB, ein alternativer Fernsehsender, getragen von mittelständischen Produzenten, will sein Kabelprogramm terrestrisch ausstrahlen. Daneben haben sich alle großen Fernsehanbieter von RTL bis Premiere beworben.

Obwohl zwei Frequenzen zur Vergabe anstehen, haben es alle auf den reichweitenstarken Kanal5 abgesehen, der noch bis April vom ORB genutzt wird. Mit diesem Kanal können sechs Millionen Menschen erreicht werden. Das macht ihn als Werbeträger interessant, meint der Spiegel nicht ganz uneigennützig. In seiner letzten Ausgabe beschrieb das Hamburger Blatt den „Bausumpf in Farbe“, das Gerangel um das regionale Vollprogramm, ohne zu erwähnen, daß Spiegel-TV-Chef Stefan Aust einer von 41 Gesellschaftern bei FAB ist. Sollte FAB den Zuschlag für Kanal 5 bekommen, dann will sich Aust noch stärker engagieren. Seit zwei Jahren sendet FAB immer hart an der Kante zur Pleite, nur mit dem reichweitenstarken Kanal 5 sei ein wirtschaftliches Überleben möglich, meint FAB-Vorstandsvorsitzender Paul Stutenbäumer. Von Thomas Thimme, Gesellschafter von ART-TV, einem Bewerber um ein tägliches 45minütiges regionales Fensterprogramm, wird dies glattweg bestritten. Der regionale Werbemarkt, so rechnet er vor, umfaßt mal gerade 90 Millionen DM. Um die schlagen sich alle Berliner Sender. Die Kosten für ein regionales Vollprogramm würden aber mindestens 110 Millionen DM jährlich betragen. Billiger werde es nur dann, wenn die Frequenz zum Abspielkanal verkommt. Um seine Chancen auf Kanal 5 zu verbessern, hat sich der Kölner Privatsender RTL darauf eingelassen, für ART-TV ein Fenster zu öffnen, vorausgesetzt, RTL bekommt Kanal 5.