„Einen Bogen zu machen wäre viel schlimmer“

■ Die Gedenkstätte KZ Theresienstadt als Station im Staffellauf des olympischen Feuers/ Interview mit Andreas Nachama, Generalsekretär der Jüdischen Gemeinde

Berlin. Die Staffelläufer, die im Jahr 2000 das olympische Feuer von Athen nach Berlin tragen, sollen auch in der Gedenkstätte KZ Theresienstadt Station machen. Diesen Vorschlag hat Stefan Flatow, der Sohn eines von den Nationalsozialisten ermordeten jüdischen Olympiasiegers, anläßlich der Vorstellung der Bewerbungsschrift gemacht. Der Vater des 74jährigen Flatow errang 1896 in Athen zwei Goldmedaillen. 1933 floh der Berliner vor den Nazis nach Rotterdam, im Konzentrationslager Theresienstadt verhungerte er. Eberhard Diepgen kündigte an, sich im Falle eines Zuschlags für die Route einzusetzen. Die taz sprach mit dem Generalsekretär der Jüdischen Gemeinde Berlin, Andreas Nachama, über den Vorschlag.

taz: Herr Nachama, wie haben Sie von der Idee erfahren, die Route der Läufer mit der olympischen Flamme im Jahr 2000 durch Theresienstadt zu führen, falls Berlin den Zuschlag erhält?

Nachama: Wir wurden direkt von der Olympiagesellschaft, von Herrn Nawrocki informiert.

Wie steht die Jüdische Gemeinde zu dem Vorschlag?

Der Vorstand der Jüdischen Gemeinde hat postwendend Herrn Nawrocki geantwortet, daß wir es grundsätzlich begrüßen, daß der Fackellauf durch Theresienstadt hindurchgeht unter der Bedingung, daß dort eine besondere Gedenkstation eingerichtet wird. Das heißt, daß dieser Ort nicht nur gestreift wird wie irgendwelche anderen auch, sondern daß diese besondere Situation, die sich von der von 1936 unterscheidet, dargestellt wird und damit der Öffentlichkeit in Europa und der ganzen Welt vor Augen geführt wird. Weil das ein Stück der Geschichte auf ganz sinnfällige Weise sichtbar macht.

Die Verbindung von olympischem Fackellauf und Erinnerung an ein KZ macht Ihnen keine Bauchschmerzen?

Ich denke, es wäre schlimmer, wenn ein Fackellauf einen Bogen um historische Orte machen würde, die daran erinnern, was zwischen 1933 und 1945 hier passiert ist. Ich denke, es ist ein Teil unseres europäischen Erbes und der deutschen Geschichte, und als solches muß man es gerade anläßlich der Olympischen Spiele sichtbar machen, egal, ob die nun in München oder in Berlin stattfinden. An Gedenktagen nach Theresienstadt zu fahren ist gut. Aber es ist genausogut, anläßlich des Staffellaufs nicht nur eine kleine Gruppe damit zu konfrontieren, die sich willig damit auseinandersetzt, sondern ein viel größeres Publikum, das sich sonst vielleicht nie darauf einläßt.

Wie stellt sich die Jüdische Gemeinde zur Bewerbung Berlins?

Wir gehen davon aus, und so ist es auch in vielen Gesprächen noch mit Heinz Galinski besprochen worden, daß die Aufarbeitung der Geschichte der Olympischen Spiele 1936 und ihres politischen Umfeldes Teil der Konzeption der Spiele sein wird.

Hat sich die Olympia GmbH in der Vorbereitung der Bewerbung der Geschichte gestellt? Ist diese Debatte nicht lange vernachlässigt worden?

Ich bin da etwas befangen, da ich bis zum Jahreswechsel die „Topographie des Terrors“ geleitet habe, die zusammen mit dem Sportmuseum eine große Ausstellung über die Olympischen Spiele 1936 vorbereitet. Ich weiß nicht, ob diese Diskussion vernachlässigt worden ist. Sie ist auf jeden Fall mit der Jüdischen Gemeinde geführt worden. Heinz Galinski wird ja damit zitiert, daß man für die Olympiade im Jahr 2000 kein neues Stadion bauen muß, sondern das alte benutzen kann, wenn man Mittel und Wege findet, die Besucher im Jahr 2000 daran zu erinnern, was in den Jahren 1936 und folgenden passiert ist. Interview: mon