Autonome Militanz schadet den Olympiagegnern

■ Individueller Terror ist kein Mittel des Streits um die Olympiabewerbung, vertritt der Fraktionsvorsitzende von Bündnis90/Grüne, Wolfgang Wieland

taz: Das bekanntgewordene Anti-Olympia-Video hat die CDU veranlaßt zu fordern, Sie sollten die daran beteiligte Abgeordnete Judith Demba aus der Fraktion werfen.

Wieland: Das ist eine maßlose Überreaktion von Jubelolympia. Die fühlen sich durch den Streifen insgesamt getroffen und nehmen diese sogenannte Gewaltszene als Vorwand für ihre Empörung.

Fühlt die Fraktion Bündnis90/ Grüne sich wohl in der Ecke, in die die CDU sie stellt?

Wir lassen uns von der CDU in keine Ecke drängen. Wir hätten es allerdings erheblich besser gefunden, wenn Mißverständnisse durch eine andere Gestaltung des Filmes von vornherein ausgeschlossen worden wären.

Was ist daran mißzuverstehen?

Mißverständlich ist, daß ironisierend und satirisch gemeinte Passagen nunmehr als gewaltverherrlichend hingestellt werden.

Sind Sie sicher, daß diese Szenen satirisch gemeint sind?

Sie waren so gemeint – jedenfalls sagten uns dies die FilmemacherInnen. Spätestens seit dem Flugblatt von Fritz Teufel „Wann brennen die Berliner Kaufhäuser“ weiß man, daß über Satire trefflich gestritten werden kann.

Hat die Fraktion besprochen, wie man der Olympiaablehnung der Partei Ausdruck verleiht?

Judith Demba hat dieses Video zusammen mit anderen als Privatmensch gedreht. Das ist kein Fraktionsvideo. Der Inhalt und die Art der Gestaltung wurden vorher mit uns nicht besprochen. Deswegen übernehmen wir auch keine Verantwortung. Im Gegenteil, die Fraktion hat von sich aus einen Film mit Blickrichtung auf die Berliner Bevölkerung geplant, der aufklären soll über die Folgen von Olympia für diese Stadt. Judith Demba hat sich außerdem ganz unmißverständlich von dem Strategiepapier distanziert, in dem zu gewalttätigen Aktionen gegen Olympia aufgerufen wird. Das tun wir auch. Wir wollen witzige, phantasievolle Anti-Olympia-Aktionen, wir sehnen nun wirklich nicht Steinewerfer, Straßenschlachten und brennende Autos herbei.

Wo sind für das Bündnis90/ Grüne die Grenzen des Streits?

Die Grenzen sind da, wo zum Mittel individuellen Terrors gegriffen wird oder solches vorgeschlagen wird. Es ist völlig ausreichend, deutlich zu machen, daß die Mehrzahl der Berliner Olympia nicht will. Man muß hier auch nicht gegen den Besuch eines blutrünstigen Diktators mobilisieren. Hier muß vielmehr zum Ausdruck gebracht werden, daß jenes Ereignis, das die Mehrzahl der Berliner nicht will, möglichst in Sidney stattfinden sollte. Dieses Video nutzt Landowsky und Co. Das ist bedauerlich. Die haben jetzt einen Grund gefunden, sich aufzuplustern und wieder einmal in Berliner und Antiberliner einzuteilen. Sie wollen damit die nicht stattgefundene Identifikation zwischen Olympia und den Berlinern auf diese Weise herbeiführen. Jeder, der das nicht will, sollte also tunlichst die Hände von vorgeschlagenen militanten Aktionen und Brandanschlägen lassen.

Was tun die Grünen dagegen, in den Schlachtplan der Autonomen eingebunden zu werden?

Indem man diese Arbeitsteilung nicht mitmacht. Wir werden deutlich machen, daß wir ausschließlich gewaltfreie Aktionsformen wollen. Gespräch: Gerd Nowakowski