■ Die UNHCR stellt die Hilfslieferungen für Bosnien ein
: Ein richtiger Schritt

Die Vorwürfe, Sadako Ogata habe sich mit der nahezu völligen Einstellung der Hilfslieferungen für Bosnien-Herzegowina Kompetenzen angemaßt, die nur dem UNO-Sicherheitsrat zustehen, ist formal falsch und trifft auch politisch nicht. Die Entscheidung der UNHCR-Direktorin liegt innerhalb ihrer Zuständigkeit, zu der unter anderem auch die Fürsorgepflicht für die MitarbeiterInnen der Organisation vor Ort gehört. Die Vorwürfe an Ogatas Adresse entlarven aber erneut das schlechte Gewissen der internationalen Staatengemeinschaft wegen ihres Versagens und ihrer Untätigkeit. Der Verweis auf humanitäre Maßnahmen wurde in den letzten Monaten immer mehr zum Alibi. Zugleich verweigern die Mitgliedsstaaten des UNO-Sicherheitsrates die Verbesserung der katastrophalen Rahmenbedingungen, unter denen UNHCR wie private Organisationen ihre Hilfstransporte durchführen müssen – etwa durch eine Ausweitung des Mandats der UNPROFOR-Soldaten oder auch nur die Anordnung, das bestehende Mandat nicht so eng wie bisher auszulegen.

Zunächst einmal ändert sich durch Ogatas Entscheidung zur vorläufigen Einstellung fast aller Hilfslieferungen faktisch nichts an der ohnehin verheerenden Lage. Abgesehen von einigen Gebieten in Zentralbosnien verhindern Serben, Kroaten und die von Muslimen geführte Regierung Bosnien-Herzegowinas überall in den von ihnen derzeit kontrollierten Städten und Regionen nun seit mindestens einer Woche den Transport von Nahrungsmitteln, Medikamenten und anderen dringend benötigten Überlebensgüter zu den bedürftigen Menschen. Die Motive sind verschieden, doch die Ergebnisse jeweils gleichermaßen tödlich. Die Blockade der Landtransporte nach Goražde und Cerska durch die bosnischen Serben entspringt dem eiskalten Kalkül, die mehrheitlich muslimische Bevölkerung in den zum Teil seit Monaten belagerten Städten durch Verhungern und Erfrieren zur Aufgabe zu zwingen. Die wiederholten Zusagen Karadžićs und Miloševićs, die Aufhebung der Blockaden anzuordnen, sind ein höhnisches Spiel mit der Weltöffentlichkeit. Die Führer aller drei Seiten haben nach wie vor ausreichende Kontrolle über ihre jeweiligen militärischen Verbände.

Die Verfügung der bosnischen Regierungsbehörden hingegen, die Verteilung von Hilfsgütern in Sarajevo einzustellen, entspringt nackter Verzweiflung. Was die Verfügung nicht richtiger oder besser macht als die Blockaden durch die serbische Seite. Präsident Izetbegovićs absurde Behauptung, Ogatas Entscheidung sei „eine Strafe der Reichen für die Armen und Hungernden“, ist nur noch mit Verzweiflung zu erklären und richtet sich zudem an die falsche Adresse. Die eigentliche Verantwortung dafür, daß die vorläufige Einstellung der Hilfslieferungen jetzt erfolgte, liegt nicht im Genfer UNHCR-Büro, sondern vor allem bei den Regierungen in Washington, Moskau, London, Paris, Brüssel und Bonn. Andreas Zumach