Die Höflichkeit des Butros Butros-Ghali

■ In Japan frißt der forsche UN-Chef Kreide und hält sich mit Forderungen zurück

Tokio (taz) – „Ich war schockiert.“ Butros Butros-Ghali gestikulierte gestern in Tokio mit beiden Armen. „In Japan habe ich erfahren, daß der letzte Besuch eines UN-Generalsekretärs hier elf Jahre zurückliegt.“ Für den UNO- Chef gab es während seines fünftägigen Japanbesuchs also einiges nachzuholen. War das auch der Grund, warum sich der sonst so forsche Butros-Ghali in Japan auffällig zurückhielt?

„Japan ist ein großes, wichtiges Land und trägt deshalb auch große Verantwortung.“ So weit ging der Generalsekretär am Donnerstag in Tokio und kein Stück weiter. Daß die konkreten Forderungen – mehr Geld, mehr Ausrüstung, mehr Soldaten für die UNO – ihm nur so unter den Nägel brannten, das war ihm zwar deutlich anzumerken. Doch Butros-Ghali hatte inzwischen gelernt, wo in Japan seine Grenzen verlaufen.

Noch vor seiner Ankunft hatte der UN-Generalsekretär in einem Interview mit der japanischen Nachrichtenagentur Kyodo unzweideutig verlauten lassen, daß er eine Änderung der japanischen Verfassung befürworte, damit sich Japan in größerem Umfang an den Friedensmissionen der UNO beteiligen könne. So aber geht in Japan gar nichts. Mit dem Hammerschlag erreichte Butros-Ghali nur, daß sich der japanische Regierungschef Kiichi Miyazawa postwendend von den Auffassungen des Generalsekretärs distanzierte. Japans Beitrag zu den Vereinten Nationen, betonte Miyazawa am Mittwoch noch einmal, werde sich „im Rahmen der Verfassung“ bewegen. Butros-Ghali mußte zur Kenntnis nehmen, daß sein erfolgreicher Auftritt vor einem Monat in Bonn, bei dem er die Deutschen zur Übernahme „voller Verantwortung“ bei allen UN-Aktionenn aufforderte, in Tokio nicht wiederholbar war.

Im Wege steht der Verfassungspatriotismus der Japaner, der sie im Wortlaut der Verfassung anhält, von jeglicher „gewaltsamen Beteiligung zur Lösung internationaler Konflikte“ abzulassen. Für Premierminister Miyazawa steht damit außer Frage, daß sich japanische Truppenheiten an anderen Aktionen als den bisher üblichen Blauhelmeinsätzen beteiligen. Darüber aber will Butros-Ghali heute hinausgehen: Er wirbt für eine ständige Einsatztruppe der UNO, die – das ist neu – auch ohne Zustimmung der Konfliktparteien zum Erhalt eines Waffenstillstands eingreifen kann. Japan-gerecht aber sagte er gestern nur: „Die UNO hat neue Aufgaben, zum Beispiel im Straßenbau und bei der Abhaltung von Wahlen.“ Georg Blume