In Sachsen stehen die Zeichen auf Streik

■ Metallarbeitgeber in Sachsen kündigen einseitig den Tarifvertrag / IG Metall spricht von Rechtsbruch und kündigt Warnstreiks an / 20.000 Metaller demonstrieren in Chemnitz für höhere Löhne

Dresden/Frankfurt (dpa/AP/ taz) – In der ostdeutschen Metallindustrie rückt ein Arbeitskampf näher. Die Arbeitgeber haben gestern in Dresden die 1991 geschlossene Tarifvereinbarung über die Einkommenserhöhung für die 177.000 Beschäftigten der sächsischen Metall- und Elektroindustrie einseitig gekündigt, nachdem die Schlichtungsverhandlungen zu Wochenbeginn gescheitert waren. Die IG Metall kündigte daraufhin Warnstreiks an.

Der zweite IG-Metall-Vorsitzende Klaus Zwickel bezeichnete die Kündigung als „eklatanten Rechtsbruch“. Seine Organisation werde diesen „Vertragsbruch nicht kampflos hinnehmen“, sagte Zwickel in Frankfurt. Die grundlose Kündigung sei ein einmaliger Fall in der Nachkriegsgeschichte, meinte Zwickel. „Jetzt kämpfen die Arbeitgeber mit offenem Visier ohne Rücksicht auf die Tarifautonomie.“ Am Mittwoch waren auch die Schlichtungsverhandlungen in Thüringen gescheitert. In den anderen ostdeutschen Tarifgebieten dauern die Verhandlungen noch an. Der Verhandlungsführer des Verbandes der sächsischen Metall- und Elektroindustrie (VSME), Hans Peter Münter, sagte, die Kündigung sei die erste ihrer Art in der deutschen Tarifgeschichte. Als Grund für ihren Rücktritt von der Tarifvereinbarung führte Münter die schlechte Wirtschaftslage der rund 400 Unternehmen der Branche in Sachsen an. Münter zufolge halten die Arbeitgeber auch in Abstimmung mit dem Verband Gesamtmetall an ihrer Absicht fest, statt der vereinbarten Lohn- und Gehaltserhöhung von 26 Prozent zum 1. April dieses Jahres nur maximal neun Prozent zu zahlen. Münter forderte die IG Metall auf, einen Tarifvertrag mit zwölfmonatiger Laufzeit auszuhandeln. Zusätzlich wollen die Arbeitgeber eine sogenannte Öffnungsklausel einführen, die Betrieben in wirtschaftlicher Notlage eine Bezahlung unter Tarif gestattet.

Die IG Metall will keinen neuen Tarifvertrag aushandeln. Nach Auffassung der Gewerkschaft hat die Vereinbarung von 1991 weiterhin Rechtskraft. Eine Sprecherin sagte gestern, die IG Metall werde mit dem Auslaufen der Friedenspflicht im April mit Warnstreiks beginnen. Sollten diese keine Wirkung zeigen, will die Gewerkschaft ihre Mitglieder in einer Urabstimmung über einen Streik entscheiden lassen.

Der für die Tarifpolitik in Sachsen zuständige IG-Metall-Funktionär Heribert Karch sagte, wenn die Arbeitgeber nicht bei der vereinbarten Tariferhöhung blieben, könne er einen „äußerst harten Arbeitskampf“ nicht ausschließen.

20.000 Metaller demonstrieren in Chemnitz

Chemnitz/Leipzig (AFP/dpa/taz) Mehr als 20.000 sächsische Metallarbeiter haben am Mittwoch abend in Chemnitz gegen einen Ausstieg der Arbeitgeber aus dem Tarifvertrag demonstriert. Sie forderten eine Erhöhung der Löhne um 26 Prozent entsprechend der jetzt von den Arbeitgebern gekündigten Tarifvereinbarung. „Der Tarifsprung ist nicht unverschämt, sondern unser gutes Recht“, rief der Dresdner IG-Metall-Bezirksleiter Hasso Düvel den kämpferisch gestimmten Metallern zu.

In Leipzig sollen die Montagsdemonstrationen wieder aufleben. „Wir müssen wieder auf die Straße, um uns Gehör gegen den drohenden Sozialabbau und die fehlende Wirtschaftspolitik zu verschaffen“, erklärte Gottfried Meyer, zweiter Bevollmächtigter der IG Metall gestern in Leipzig. Die erste große Kundgebung soll am 8. März auf dem Augustusplatz stattfinden. Zur Vorbereitung der Demonstrationen habe sich ein Koordinierungskreis gebildet, dem Gewerkschaften, Kirchen, Arbeitslosenverbände und der Aktionskreis Frieden angehören. klh