Dieter ohne Brandsätze

■ Dieter Hildebrandt-Lesung beim Kabarettfestival auf Kampnagel

-Lesung beim Kabarettfestival auf Kampnagel

Schlichte Bühne: ein Tisch, ein Stuhl, ein Mikro. Dahinter Dieter Hildebrandt, der „godfather“ des deutschen Kabaretts. Er liest aus seinem Buch Denkzettel. Schon der Anfangsapplaus des Kampnagel- Publikums zeigt, er könnte alles bieten, es würde gefallen. „Das ist nur in Hamburg möglich“, grinst Hildebrandt, „daß man mit einer Lesung so viel Publikum bekommt, das auch noch viel Geld dafür bezahlt.“ Applaus.

Ansonsten bleibt er eher brav, er gibt autobiografische Anekdötchen zum besten, auch seine zweite Frau Renate und seine zwei Töchter bieten Stoff zum Schmunzeln über Alltägliches. Die übliche Politikerschelte bleibt nicht aus: etwas zu den Reps, ein bißchen Renten- Blüm, ein wenig Vignetten-Krause. Ab und an zappeln Hildebrandts Füße, wahrscheinlich dann, wenn er eine Pointe geplant hatte und sie nicht gleich zündet.

Apropos Feuer: Das Kampnagel- Festival wollte unter dem Motto Brandzeichen das neue Deutschtum und den rechten Terror kabarettistisch aufs Korn nehmen. Das hat Hildebrandt entweder nicht gewußt oder vergessen. Er hielt sich streng an die eigene Buchvorlage, und kokettierend mit seiner Vergeßlichkeit verlas er die Tücken seines Alltags, der nur mit „Vergiß-nicht- Zettelchen“ zu bewältigen ist.

Die „Zettel“-Geschichtchen gaben seinen Bös-Artigkeiten den Rahmen. Die flüssig vorgelesenen Aphorismen zu Mutterglück und Autostau, zu Großflughäfen und der DDR-Geschichte boten zwar den soliden Hildebrandtschen Zynismus, blieben aber hinter der Giftigkeit seines Live-Gehaspels zurück. Allein seine schon feministisch zu nennenden Überlegungen zum schwangeren Parteivorsitzenden und seine gut beobachtete Studie über das Literarische Quartett, dem „Endlagerungsort für Unterhaltung“, zeigten Hildebrandts absolute Klasse. Ein gutes Drei-Stunden-Programm, leider ohne Brandsätze. Greta Eck