Glücksrad im Theatersaal?

KOMMENTAR

Glücksrad im Theatersaal?

Bis jetzt war das Kampnagelgelände eines der letzten anarchischen Fleckchen in einer zunehmend homogenisierten Stadtkultur. Äußerlich wie inhaltlich konnten hier Unkraut und kreatives Chaos sprießen. Diese Jungfräulichkeit wird durch die jetzt anstehende Verwirklichung der Randbebauung (siehe Seite 33) wohl verloren gehen. Zwar wird die kommerzielle Umklammerung der Theaterhallen als Keuschheitsgürtel für die Kunst verkauft. Schließlich wird aus aller Munde damit eine Bestandsgarantie für das Kulturzentrum verbunden. Dennoch kann man den Befürchtungen vieler Theaterproduzenten, daß auf die Kommerzialisierung des Geländerandes ein professioneller Tunnelblick aufs Geld in dem Theaterkomplex folgen wird, nicht ernsthaft widersprechen. Gerade weil es nicht unwahrscheinlich ist, daß eine repräsentative Frontseite mit aalglattem Innenleben ein etwas spendableres Bewußtsein der Politik für Kampnagel nach sich zieht, ist klar, daß diese Atmosphäre den kindlichen Charme des Geländes zerstören wird. Der vom Bezirk geprägte Begriff der „synergetischen Nachbarschaft“ zwischen Medienfirmen und Theater weist genau in diese Richtung. „Glücksrad“ demnächst im Theatersaal? Nur eine Horrorvorstellung? Till Briegleb