Mit Kaffeeklatsch für Bauwagendorf in Oldenburg

■ Die Stadt will die Bauwagen wegkriegen / Bewohner antworten mit Kaffee und Kuchen auf das Bauordnungsrecht

Die Wohnungsnot macht erfinderisch. Immer mehr Menschen leben zum Beispiel in ausrangierten Bauwagen und schließen sich zu sogenannten „Wagenburgen“ zusammen. Besonders viele junge Leute sehen darin auch eine Form „Alternativen Lebens“. In ganz Deutschland gibt es inzwischen über 80 solcher Bauwagen- WGs, sehr zum Ärger der Behörden. In Oldenburg droht die Stadtverwaltung einer Wagenburg mit Räumung, das Ultimatum lief gestern aus.

Erst nannten sie sich stolz „Die Wagemutigen“, doch dann fanden sie den Namen zu arrogant: „Besonders mutig sind wir ja gar nicht. Das kann doch jeder blöde Butterpilz.“ — Und damit war es klar: Oldenburgs erste und bisher einzige Bauwagen-WG heißt „Blöder Butterpilz“. 11 junge Leute, überwiegend Studenten, machen aus der Wohnungsnot eine Tugend. Sie leben seit dem Sommer in buntbemalten Bauwagen, ohne Strom, ohne fließendes Wasser, aber durchaus zufrieden. „Wir wollten beweisen, daß man auch anders leben kann,“ erklärt Dieter (23). „Die Gemeinschaft ist uns wichtiger als Komfort und Konsum.“ Dieter und seine FreundInnen wollen mit ihrer alternativen Lebensweise auch ein politisches Zeichen setzen.

Aber das sehen die Verantwortlichen im rot-grün regierten Oldenburg nicht so. Zwar zeigte die Stadtverwaltung anfangs durchaus Sympathie für die Wagen- Bewohner (“Das sind eigentlich alles nette junge Leute“), doch jetzt hat sie die Nase voll. „Die Forderungen werden immer unverschämter,“ heißt es bei der Stadt. Aktueller Grund für den Ärger: Die „Butterpilze“ wollen nicht dort stehen, wo die Behörden sie unterbringen wollen. Ein paar Kilometer außerhalb der Stadtgrenzen nämlich, auf 750 Quadratmetern beim städtischen Tierheim. Stattdessen halten die Bauwagen seit etwas über einer Woche ein zentraler gelegenes Grundstück der Stadt besetzt. „Wir müssen irgendwie auch noch unser Studium fortsetzen können“ erklärt Steffi (23). „So weit raus fährt ja nicht einmal ein Bus.“ Außerdem sei das Gelände beim Tierheim viel zu klein, ergänzt Alexandra (22). „Wir brauchen so um die 4000 Quadratmeter, wenn wir unsere ökologische Visionen auch leben wollen.“ Ein Windrad, eine Regenwasserdusche, möglicherweise eigener Anbau von Nahrungsmitteln — das alles braucht eben Platz. Und den haben sie an der Feldwisch, wo sie jetzt unerlaubt stehen. Warum sie nicht bleiben können, verstehen sie nicht. „Das Gelände braucht doch niemand. Und die Anwohner akzeptieren uns auch.“ — Argumente, denen die Stadt das Bau-Ordnungsrecht entgegenhält. Auf der Wiese an der Feldwische gebe es beispielsweise nicht einmal vernünftige Toiletten. „Wer garantiert denn, daß die jungen Leute ihre Tonne immer so ordentlich beim Klärwerk entsorgen wie zur Zeit?“ Und überhaupt sei die ganze Bauwagen-Geschichte ziemlich ungerecht. „wenn irgendein Jagdpächter auf sein Gelände eine ungenehmigte Butze stellt, in der er nur hin und wieder mal übernachten will, sind wir am nächsten Tag da und reißen sie ab. Da können wir doch auf der anderen Seite nicht so eine dauerhafte Kolonie einfach dulden.“ Für die Stadt Oldenburg steht also fest: Die Bauwagen müssen weg. Notfalls eben per Räumungs-Urteil. Gestern lief das erste Ultimatum der Stadtverwaltung ab. Noch aber steht die Wagenburg. Und um für Sympathie in der Bevölkerung zu werben, laden die „Butterpilze“ für heute zum Tag der offenen Tür ein. Los geht's ab 15 Uhr. Kaffee und Kuchen gibt es auch.

Isabel Yeginer