Kammerstreit: Verfahren wegen Verleumdung

■ Präsident und Geschäftsführer der Angestelltenkammer weisen DAG-Vorwürfe strikt zurück / DAG soll vor Gericht

Vehement wehrte sich die Angestelltenkammer gestern gegen Vorwürfe, die die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft gegen sie erhoben hat. Kammergeschäftsführer Eberhard Fehrmann will gegen Hartmut Frensel von der DAG nun ein Verfahren wegen Rufschädigung und Verleumdung anstrengen. Frensel hatte Fehrmann am Mittwoch vor der Presse des Mißmanagements und bewußter Lügen bezichtigt und deshalb seine Suspendierung gefordert. Gerald Graubner, dem Geschäftsführer der Angestelltenkammer-Tochter BBI (=Berufsbildungs-Institut), hatte die DAG „Konkursverschleppung“ vorgeworfen. Auch diesen (strafrechtlich relevanten) Vorwurf wies die Angestelltenkammer gestern energisch zurück: „Absurd“, versicherte ihr Geschäftsführer Eberhard Fehrmann, „Überschuldung hat nach den dafür relevanten Kriterien nie vorgelegen.“ Dies habe ein zusätzliches Gutachten, das Fehrmann nach Bekanntwerden der erneuten DAG-Vorwürfe umgehend in Auftrag gab, ergeben. Die Suspendierungsforderung der DAG zeuge dagegen von einem „erheblichen Niveau an Fachunkundigkeit“, betonte Fehrmann.

Was Hartmut Frensel von der DAG-Bezirksleitung als „sensationelle Neuigkeit“ hingestellt habe, sei in Wahrheit all das, was er seit zwei Monaten wisse. Der Präsident der Angestelltenkammer habe nämlich den Wirtschaftsprüfer des Berufsbildungsinstituts damals von seiner Schweigepflicht entbunden und gebeten, auf der Vollversammlung der Kammer „zu allen Fragen und Tatbeständen Rede und Antwort zu stehen“. Dies sei auch geschehen. Die Vollversammlung ist das Parlament und oberste Kontrollorgan der Kammer, in dem die DAG neben den DGB-Gewerkschaften neun von 21 Sitzen hält. Nach Ansicht der DAG ist dies aber zu einem „Popanz“ von Präsident, Vorstand und Geschäftsführer der Kammer verkommen. Dazu legte die DAG eine Reihe von Indizien vor, u.a. die Patronatserklärung, mit der Kammergeschäftsführer Fehrmann am Parlament vorbei die Verbindlichkeiten des BBI gegenüber ihrer Hausbank absichere.

Dies wischte die Angestelltenkammer gestern als abwegig vom Tisch: Den Verbindlichkeiten stünden Forderungen an den Staat gegenüber. Für über 90 Prozent der Maßnahmen am BBI gebe es rechtlich verbindliche Bewilligungen von Arbeitsamt, EG und der Bremer Arbeitssenatorin. Für das BBI bestünde deshalb keine Gefahr eines Konkurses, obwohl die Entwicklung auf dem Weiterbildungsmarkt kaum abzuschätzen sei. Bis Ende 1994 seien die Arbeitsplätze am BBI sicher, betonte Kammerpräsident Bernhard Baumeister.

„Wir haben sehr wohl aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt“, beteuerte Eberhard Fehrmann unterdessen bezüglich der Informationspolitik der Kammer. Im November habe die DAG-Fraktion deshalb die Bilanz des BBI von 1991 erhalten. Dies hatte Frensel am Mittwoch bestätigt, die enorme Verspätung und das Fehlen eines erläuternden Anhangs sowie einer „betriebswirtschaftlichen Auswertung“ aber kritisiert. Außerdem habe Fehrmann der DAG gegenüber noch Ende Januar versichert, daß der Anhang „aus Krankheitsgründen“ noch nicht vorliege, während der involvierte Wirtschaftsprüfer sie vor Weihnachten aber verschickt haben will. Aus dieser zeitlichen Abfolge hatte Hartmut Frensel die „bewußte Lüge“ oder „Unfähigkeit“ Fehrmanns interpretiert. Ob dies zutrifft oder mit all diesen Vorwürfen der Kammerwahlkampf überzogen und der Ruf dieser Körperschaft öffentlichen Rechts geschädigt wurde, werden Gerichte klären müssen. Im gesamten Kammerstreit laufen bereits einige Verfahren auf Unterlassung von Behauptungen.

Unabhängig davon wird derzeit über die Zukunft der beiden Bildungseinrichtungen der Angestelltenkammer, das Berufsbildungs-Institut (BBI) und die Wirtschafts-und Sozialakademie (WIAK) gestritten. Auf der Gesellschafterversammlung des BBI am Donnerstag sei darüber „eine hohe Übereinkunft“ aller Beteiligten erreicht worden, so Baumeister. Welche Maßnahmen mit welchen Schwerpunkten allerdings in Zukunft von welchem Träger übernommen werden, ob das BBI dabei seine besonders rentablen Bereiche an die WIAK abtreten müsse, das wollte er nicht sagen: Einerseits müsse die Betriebsversammlung erst noch abgewartet, andererseits die WIAK beteiligt werden. Nur soviel ließen die Herren durchblicken: Der Übungsfirmenring des BBI werde aufgegeben. ra