„Verbrecherischer Wille“

■ Urteil im Prozeß um drei ausländerfeindliche Brandanschläge

Moabit. „Wir haben es hier mit dem Verbrechen der Brandstiftung zu tun, das zu Recht als eine der schwerwiegendsten Straftaten bewertet wird, weil es sich der Kontrolle des Täters entzieht.“ Mit diesen doch recht markigen Worten begann gestern der Vorsitzende Richter einer Jugendstrafkammer das Urteil am Ende des Prozesses, um drei ausländerfeindliche Brandanschläge zu begründen. Der 24jährige Haupttäter René N., der sich als einziger an allen drei Anschlägen im August und September 1992 gegen ein Vietnamesenheim und einen Türkenimbiß in Hohenschönhausen beteiligt und in zwei Fällen den Anführer gespielt hatte, erhielt auch die einzige, recht hohe Haftstrafe: dreieinhalb Jahre. Die anderen sechs Angeklagten im Alter zwischen 18 und 25, in den Augen des Gerichts „Mitläufer“, erhielten für ihre unterschiedliche Tatbeteiligung Bewährungsstrafen zwischen einem und zwei Jahren. Die geringste Strafe bekam die einzige Frau, die „Schmiere“ gestanden hatte. „Zu bestrafen“, so der Richter Günter Leschonski weiter, sei „in allererster Linie der verbrecherische Wille“. Denn die Aussage der Angeklagten, sie hätten den Ausländern „nur einen Schrecken einjagen“ wollen, sei „absolut unglaubwürdig“, sie „wollten den Erfolg“. Der sei ihnen zum Glück versagt geblieben, weil nur geringe Sachschäden entstanden und kein Mensch „konkret in Gefahr geriet“. Dennoch hätten sie „die Gefährdung von Menschenleben bewußt in Kauf genommen“: Wer des nächtens in einer menschenleeren Gegend „eine Brandflasche in ein bewohntes Heim wirft oder mehrere Liter Benzin entzündet“, der handle mit Vorsatz.

Daran, führte der Vorsitzende aus, ändere trotz „erheblich verminderter Zurechnungsfähigkeit“ auch der Alkoholpegel der Angeklagten zur Tatzeit nichts. Sie selbst hätten sich zu ihrem Motiv „nur sehr verschwommen“ geäußert und ihren Rausch angeführt, aber der „gibt als Tatmotiv nichts her“. Dennoch sei hier „keine militante oder gar faschistische Gruppierung“ am Werk gewesen: „Die Gemeinsamkeit der Angeklagten beruhte auf gemeinsamem Alkoholmißbrauch. In ihrem Drang, die Trostlosigkeit ihrer Lebensführung zu durchbrechen, sprangen sie auf das Trittbrett der Ausländerfeindlichkeit.“

Dennoch sei es dem Gericht „nicht ganz leicht gefallen“, abgesehen von dem bereits in Haft sitzenden René N. die Strafen für die anderen zur Bewährung auszusetzen. Aber erstens dürfe es beim Jugendstrafrecht keine generalpräventive Wirkung geben, und zweitens hätten ihre schwierigen sozialen Lebensumstände seit der Wende, ihr Geständnis und ihr „Bemühen um Umkehr“ für die Angeklagten gesprochen.

Aber, so richtete der Vorsitzende das Wort direkt an sie, die Vietnamesen „können nichts dafür, daß sie aus einem anderen Land stammen“. In ihrer Heimat „wird nach einem schrecklichen Krieg echte Not gelitten“, wer könne ihnen da verdenken, hierbleiben zu wollen. Und: „Im und nach dem Zweiten Weltkrieg „haben sich die Deutschen nicht anders verhalten als die Vietnamesen oder Angolaner heute“. usche