600 schwarze Schafe bei der Polizeireserve?

■ Neue Hinweise auf das Ausmaß der kriminellen Belastung der FPR/ Grüne und SPD erwägen Untersuchungsausschuß

Berlin. Das Sündenregister von Berlins freiwilligen Polizeireservisten scheint weit länger zu sein als bislang angenommen. Noch am Dienstag hatten Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) und Polizeipräsident Hagen Saberschinsky die Zahl derjenigen, bei denen Anhaltspunkte für einen möglichen kriminellen oder rechtsradikalen Hintergrund gegeben sind, mit 89 angegeben. Bei 207 Überprüften war das immerhin fast jeder zweite. Heckelmann hatte daraufhin angeordnet, alle 2.500 FPR-Aktivisten unter die Lupe zu nehmen. Diese Überprüfung wird bei fast jedem vierten Belastendes zutage fördern. Diese Einschätzung äußerte gestern der ehemalige Innensenator Erich Pätzold gegenüber der taz. Er habe Hinweise erhalten, daß bei einem ersten Durchgang aller 2.500 Akten „beim bloßen Durchsehen 600 Fälle gefunden wurden“. In diesen Akten sei man auf Anhaltspunkte gestoßen, daß entweder Verurteilungen vorliegen oder Mitteilungen der Kripo, daß ermittelt werde oder daß ermittelt worden sei.

Wenn sich so etwas Gravierendes in einer Personalakte finde, so die Leitlinie der früheren Innensenators, müsse man den Betreffenden natürlich rausschmeißen. In Pätzolds Augen hat der Komplex FPR mittlerweile eine Dimension erreicht, die eine Untersuchung durch einen parlamentarischen Ausschuß nahelegt. Spätestens dort dürfte sich auch klären, was Pätzold an dem Vorgang besonders verärgert: Ihm war vom CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky vorgeworfen worden, die Verantwortung für die Einstellung der belasteten FPR-Mitglieder zu tragen, weil er, als damaliger Innensenator, im November 1990 die Überprüfung der Polizeibewerber durch den Verfassungsschutz abgeschafft habe. Damit hätte eine mögliche rechtsradikale Gesinnung nicht mehr festgestellt werden können. Dieser Vorwurf ist, in Pätzolds Augen, völlig haltlos, habe doch der rot-grüne Senat bereits zuvor beschlossen gehabt, die FPR aufzulösen. Neueinstellungen, mithin auch Überprüfungen, seien nicht beabsichtigt gewesen. „Wenn ein Senator nach mir die FPR wieder aufleben läßt“, so Pätzold, „muß der entscheiden, ob überprüft werden muß.“

Weder in der Innenverwaltung noch im Polizeipräsidium wollte man gestern die Zahl von 600 Belasteten bestätigen oder dementieren. Wie ein Polizeisprecher erklärte, werden die Akten zur Zeit noch kontrolliert. Bis Ende nächster Woche will man einen Zwischenbericht erstellen, der Auskunft über die Überprüfung der Einstellungsakten gibt. Eine abschließende Bewertung lasse aber auf sich warten, da zu einer Personenüberprüfung alle Mitglieder der FPR, aus datenschutzrechtlichen Gründen, ihr Einverständnis erklären müßten.

Nach Einschätzung des Fraktionssprechers der SPD, Peter Stadtmüller, muß man bei 600 Belasteten in den Reihen der FPR ernsthaft eine Auflösung erwägen. Vorher müsse jedoch der Vorgang restlos aufgeklärt werden. Sollten die Auskünfte der Innenverwaltung nicht ausreichen, müsse ein Untersuchungsausschuß eingesetzt werden.

Die gleiche Forderung erheben auch das Bündnis 90/ Grüne. Sie haben bereits in dieser Woche ein Gesetz zur Auflösung der FPR eingebracht. Dieter Rulff