Reif nur noch für eine „Insel“

■ Medienkontrolleure wollen Werberichtlinien verschärfen

Der Preisverfall für Fernsehwerbezeiten steht deutlich am Horizont, seit immer mehr Umfragen immer drastischer verdeutlichen, daß der Wildwuchs von Werbeunterbrechungen die Fernsehzuschauer verscheucht. Die Zahl derjenigen, die beim ersten Werbespot sofort in ein anderes Programm zappen, hat inzwischen die 80-Prozent-Marke übersprungen. Trotzdem jault die Branche auf, weil die Direktoren der Landesmedienanstalten übereingekommen sind, schärfere Werberichtlinien vorzugeben. Der Verband privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT) richtete einen dramatischen offenen Brief an die jüngste Konferenz der Medienkontrolleure in Potsdam.

Der zeichnete ein Horror-Szenario von der „existentiellen Bedrohung“ einiger Sender und von „massiven Einschnitten“ in die wirtschaftliche Basis. Allein für das laufende Jahr rechnet der Verband mit Einnahmeverlusten von 430 Millionen Mark, für die zwei darauffolgenden gar mit Mindereinnahmen von 1,4 Milliarden.

Der Geschäftsführer des Kirch- Senders Pro7, Gerhard Kofler, kritisierte die Beschlüsse grammatisch mißlungen als „kontraproduktive Fehlentwicklung“.

Streitpunkt sind neue Sponsoren-Regeln, nach denen der Sponsor in einer Sendung nicht gleichzeitig auch für seine Produkte per Werbespot Reklame machen darf, eine weitgehende Verbannung von Werbung aus reinen Kindersendungen – und das sogenannte „Netto-Prinzip“. Bisher darf eine Sendung frühestens nach 45 Minuten durch Werbung unterbrochen werden. Nach Adam Riese bedeutet das eine Unterbrechung in einem normal langen Spielfilm. Daß es dabei nicht bleibt, weiß jeder. Die Privatsender arbeiten nämlich mit Tricks wie dem „Brutto-Prinzip“: zur Netto-Sendelänge plus kurzem Vor- und Abspann rechne man die Zeit für die Werbeblocks dazu und teile dann durch 45 – schon hat man mehr Werbe-Inseln. Beliebt ist auch die Teilung in „eigenständige“ Sendungen, da kann man noch vor und hinter jedem Teil einen Block einschalten.

Die Medien-Direktoren bestehen auf dem „Netto-Prinzip“. In der Regel muß dadurch pro Film mindestens eine Unterbrechung entfallen. Allerdings räumten sie den Sendern eine „Aufbrauch- Frist“ bis zum Oktober ein. Inzwischen wird schon wieder darum gepokert, die Werbeblöcke dafür länger zu machen. Ulla Küspert