Wut von tausend Dämonen

■ King Kong - der haarige Riesentrampel der Filmgeschichte wird sechzig

Als Dino de Laurentiis 1976 ein aufwendiges Remake des Filmklassikers „King Kong“ in die Kinos brachte, reagierte die Kritik ablehnend und monierte unter anderem, dem monumentalen Epos fehle es am Charme des Originals. Charme indes dürfte das Letzte gewesen sein, was den 50.000 KinobesucherInnen in den Sinn kam, die am 2.März 1933 in den beiden größten New Yorker Lichtspieltheatern „Radio City Music Hall“ und „RKO Roxy“ der Doppelpremiere des Fantasyfilms „King Kong“ beiwohnten. Sie erlebten atemberaubendes Achterbahnkino reinsten Wassers, Sex, Action und Horror pur. Merian C. Cooper und Ernest B. Schoedsack, die Regisseure des spektakulären Kinoabenteuers, reizten die damals verfügbare Tricktechnik voll aus und hatten sogar einige Innovationen zu bieten. Alles in dem Film war auf Effekt angelegt, bis hin zum spannungsgeladenen Soundtrack des Komponisten Max Steiner.

Der Film, produziert von der in roten Zahlen steckenden Filmgesellschaft RKO, mußte ein Erfolg werden, war doch Cooper am 14.Februar zum Produktionschef des Studios ernannt worden. Er kümmerte sich persönlich um die beispiellose Werbekampagne, mit der die New Yorker ins Kino gelockt werden sollten – in einer Zeit, da die US-Wirtschaft darniederlag und der Gouverneur von New York angesichts der vielen Bankenkräche die Ausgabe von Notgeld in Erwägung zog. Cooper schaltete Rundfunkspots, in denen furchteinflößendes Gorillagrunzen und markerschütternde Frauenschreie zu hören waren. In Werbetrailern ließ er einen gigantischen Schatten über die Leinwand huschen und annonicerte „The coming of Kong“, ließ aber buchstäblich im dunkeln, um wen oder was es sich dabei handelte. Je näher die Premiere kam, um so konkreter wurden die Aussagen über die Natur des ominösen Hauptdarstellers. Am 27.Feburar veröffentlichten die New Yorker Zeitungen eine Anzeige, in der zwei riesige Affenfüße abgebildet waren, die, wie es hieß, gekommen waren, die Welt der LeserInnen „mit der Kraft eines Schlachtschiffs und der Wut von tausend Dämonen“ zu zerstampfen. Am Vortag der Uraufführung schließlich wurde Klartext geredet: „King Kong, of a former world, comes to destroy our world – all but the soft, white female thing he holds like a fluttering bird!“ Coopers Reklamefeldzug hatte durchschlagenden Erfolg: In der ersten Woche zog das sensationelle Filmereignis 150.000 ZuschauerInnen in die Kinos und spielte 100.000 Dollar ein.

Daß ausgerechnet Kongs Füße als Anzeigenmotiv dienten, hat seinen Grund vermutlich darin, daß nur der Kopf, ein Arm und eben die Gehwerkzeuge in Monstergröße gebaut worden waren. Die Kong-Modelle – es gab mehrere, um gleichzeitig an verschiedenen Szenen arbeiten zu können – selbst ragten bescheidene 45 Zentimeter über den Erdboden. Die Riesenhand wurde benötigt, damit das Ungeheuer die angebetete Menschenfrau hochheben konnte. Füße und Kopf waren dagegen für unerhört spektakuläre Filmszenen geschaffen worden. Als Ann ihm entwischt, dreht Kong durch und läuft Amok. Dabei zertritt er etliche Menschenleiber und stopft sich Eingeborene in den Mund, die er genüßlich zermalmt. Vor dem Neustart 1938 mußten diese Szenen auf Veranlassung der Zensoren entfernt werden, desgleichen jene, die auf Kongs libidinöses Interesse an der weißen Frau hindeuteten. Zudem wurde der ganze Film stark abgedunkelt, um die Brutalität der Kampfszenen zu mildern. Details der Ausstattung und der Massenszenen verschwanden im Schatten, und Kongs animalisches Ungestüm wurde gebremst. Die in Deutschland kursierenden Kopien entsprechen der verstümmelten Version.

Archivfunde machten es möglich, 60 Jahre „King Kong“ waren Anlaß genug: Die restaurierte Urfassung wurde am 14.Februar im Rahmen der Berliner Filmfestspiele aufgeführt. Der Kommerzsender Sat.1 ließ eine 600 Kilo schwere Affenpuppe am Kino „Zoo-Palast“ montieren, denn auf diesem Kanal wird das Original zu Beginn einer „King Kong“-Reihe zu sehen sein.

Denn obschon Kong von den Flugzeugen gefällt wurde – Flugzeuge mußten es sein, weil Cooper Großaktionär mehrerer Luftfahrtfirmen war –, erschien es angesichts des großen Erfolges opportun, den kolossalen Primaten wieder und wieder aufleben zu lassen. Aber nachdem das Publikum den ersten Schock verdaut hatte, kongte es von haushohen Riesenaffen nicht mehr eingeschüchtert werden. Jedenfalls nicht im Kino. Harald Keller

Die Sat.1-Filmreihe:

–„King Kong“ (1933), 20.2., 13.20 Uhr,

–„Panik um King Kong“, 21.2., 13.25 Uhr,

–„King Kong – Frankensteins Sohn“, 28.2., ca. 13.30 Uhr,

–„King Kong“ (1976), 14.3., ca. 13.30 Uhr,

–„King Kong – Dämonen aus dem Weltall“, 21.3., ca. 13.30 Uhr,

–„King Kong gegen Godzilla“, 28.3., ca. 13.30 Uhr