Zähes Ringen um ein Szene-Zentrum

Freiburgs Gemeinderat hat der Einrichtung einer Spielstätte für die freie Theaterszene zugestimmt – zum fünften Mal in sieben Jahren/ Chancen auf Realisierung bestehen diesmal  ■ Aus Freiburg Ulrich Fuchs

Freiburgs Oberbürgermeister Rolf Böhme (SPD) warnte noch einmal eindringlich: „Wir bauen jetzt ein fünftes Theater, das in städtischen Gebäuden untergebracht ist – und das will wohl überlegt sein.“ Wer den Oberbürgermeister nicht kennt, mochte sich wundern: Was sollte zum Ende einer Debatte über ein soziokulturelles Zentrum der Theater-Einwurf? Aber so ist Rolf Böhme eben. Kultur ist nicht unbedingt die Sache des Mannes, der in der Ära Schmidt einmal Staatssekretär im Finanzministerium war. Und der Arbeitskreis Alternative Kultur (AAK) ist für den schwergewichtigen Verwaltungschef offensichtlich noch immer eine Gruppierung, so konkretisierte er seine Formulierung auf eine erstaunte Zwischenfrage, die „Theaterspiele machen will“.

Tatsächlich ist der AAK ein Zusammenschluß von derzeit etwa 40 Einzelkünstlern und Freien Gruppen der Stadt, der bei seiner Gründung vor gut zehn Jahren angetreten war, der Stadt eine Spielstätte für die freie Szene abzuringen. Am Dienstag abend ist man diesem Ziel ein gutes Stück nähergekommen. Mehrheitlich stimmte der Gemeinderat einem von SPD, Grünen und Linker Liste eingebrachten interfraktionellen Antrag zu, der entgegen einer Vorlage der Verwaltung für „eine Unterbringung des AAK in der Hubschrauberhalle“ votierte.

„Wir haben keinen Grund zur Euphorie“ konstatierten Anette Rommel und Atai Keller vom AAK anschließend trotzdem nüchtern. Mit gutem Grund: ist doch der Clinch zwischen der Organisation der freien Künstler und der Stadt in den vergangenen Jahren zu einer Art Running Gag der städtischen Kulturpolitik avanciert.

Schon Anfang der Achtziger war mit der Gießereihalle ein geeignetes Objekt für das gewünschte soziokulturelle Zentrum gefunden worden. Auf einem von alternativen Gruppen genutzten ehemaligen Fabrikareal im Herzen des Stadtteils „Im Grün“ gelegen, erschien sie nicht nur den damals noch eng mit der starken Politszene der Stadt verbundenen AAK- Machern als ideale Lösung. Auch die politischen Zeichen standen nicht ungünstig. Rolf Böhme nämlich, Ende 1982 zum Oberbürgermeister gewählt, war mit dem Ziel angetreten, nach dem Motto „Teile und herrsche“ die damals vom Häuserkampf bewegte Stadt zu befrieden.

1986 schien das zähe Ringen dann endlich von Erfolg gekrönt. Der Gemeinderat beschloß den Ausbau der Gießereihalle zur Nutzung durch den AAK und gab das Gebäude zur Zwischennutzung frei. Dies wurde der Auftakt zu einer Posse, die ihresgleichen sucht.

Sage und schreibe noch dreimal wurde der Beschluß in den folgenden drei Jahren wieder in Frage gestellt, jedesmal wurden im Gemeinderat wieder hitzige Debatten geführt, und jedesmal bekräftigte die Bürgerschaftsvertretung mit knapper Mehrheit ihre Zustimmung – nur faktisch umgesetzt wurde sie nie.

Das endgültige Aus für die Gießereihalle kam im Sommer 1991. Worüber sich die Beamten der Bauverwaltung über Jahre die Köpfe zerbrochen hatten, was hin- und hergewälzt und in allen Richtungen überdacht worden war, scheiterte beim banalsten und ersten Schritt zur Umsetzung: bei der Bauvoranfrage ans Regierungspräsidium. „Aufgrund der angrenzenden Wohnbebauung keine Chance auf Durchsetzung“, lautete von dort der schlichte Bescheid.

Kein Wunder, daß man beim AAK nach dieser Geschichte vorsichtig geworden ist. Denn auch der Beschluß des Gemeinderats vom Dienstag ist erst einmal nicht mehr als ein politisches Votum, dessen verwaltungstechnische Umsetzung noch offen ist. Deshalb drängen die AAKlerInnen auch auf die Genehmigung einer Zwischennutzung, die, so Anette Rommel, die Ernsthaftigkeit des Unternehmens von seiten der Stadt „beweisen“ würde. Dazu aber ist der AAK auf den Goodwill der Bauverwaltug angewiesen, an deren Spitze der CDU-Mann Ungern-Sternberg steht, der, so befürchtet Atai Keller aus bisherigen Erfahrungen, „uns alle Prügel, die möglich sind, in den Weg legen wird“.

Immerhin, meint Atai Keller, zeigt „das Tempo, in dem die Verwaltung ausgelotet hat, ob die Hubschrauberhalle als Spielstätte für den AAK in Frage kommt“, daß man sich „der alten Verpflichtung bewußt“ ist. Erst im September vergangenen Jahres nämlich war klar, daß das auf einem französischen Militärflugplatz-Gelände gelegene Gebäude in den Besitz der Stadt übergehen wird. Planungen eines Architekten für einen möglichen Umbau haben als erste „Kostenorientierung“ einen finanziellen Aufwand von 2,3 Millionen Mark ergeben.

1,2 Millionen ist die Stadt bereit, in den Umbau zu investieren, 600.000 kämen vom Land dazu, und die fehlende halbe Million müßte der AAK selber finanzieren. „Kein Problem“, wird von dort signalisiert. Aber ob der projektierte Kostenrahmen überhaupt einzuhalten ist, müssen jetzt konkrete Planungen erweisen, die die Verwaltung nach dem Willen des Gemeinderats „bis zur Sommerpause“ abschließen und erneut vorlegen soll.

Der AAK, um die Vergangenheit wissend, drängt für diesen Fall – auch das befürwortete der interfraktionelle Antrag – mit einer vorgezogenen Baugenehmigung auf den sofortigen Vollzug des Ausbaus. „Immerhin“, so mahnte auch der Kulturdezernent Thomas Landsberg (SPD), der in der Bürgermeisterriege die AAK-Stellung hält, „sind die Protagonisten im Verlauf des Streits um ein soziokulturelles Zentrum schon zehn Jahre älter geworden.“