„Feuilletonistischer Veitstanz“ erwünscht

■ Freispruch für taz-Chefredakteur/ Er war wegen Beleidigung des Feldwebels Georg Hackl als „draller Goldrodler“ und „rasende Weißwurst“ angeklagt worden

Berlin (taz) – Das wird die Gebirgsjäger in Bischofswiesen aber tief bis ins männliche Mark hinein erschüttern: Die taz darf ihren Bundesfeldwebel Georg Hackl ungestraft einen „drallen Goldrodler“, „dumpfen Dummbeutel“ und eine „rasende Weißwurst“ nennen. Amtsrichter Warnstedt sprach gestern den presserechtlich verantwortlichen taz-Chefredakteur Michael Sontheimer vom Vorwurf der Beleidigung frei.

Just ein Jahr zuvor hatte der Medienredakteur der taz der Bundeswehr bescheinigt, nicht nur der „überflüssigste Verein Deutschlands“ zu sein, sondern auch einer der blödesten, was Werbung angeht. Anlaß: Ein im Privatkanal Sat.1 um soldatischen Nachwuchs flehender Reklamespot mit dem Hauptdarsteller Hackl. „Daß dem drallen Goldrodler und Bundeswehrfeldwebel Georg Hackl sein Resthirn in die Kufen gerutscht sein muß, wußten wir schon lang“, schrieb weiland der taz-Autor. „Jetzt aber hat die rasende Weißwurst den endgültigen Beweis ihrer Frühdebilität abgeliefert.“ Hackl habe uns nämlich weismachen wollen, „daß die Killerausbildung bei seinem Sponsor irgendetwas mit Freiheit und Abenteuer zu tun habe... Abtreten, du dumpfer Dummbeutel!“„Das hat Herr Hackl aber nicht gefreut“, mahnte der Richter mit väterlichem Baß. Ob Sontheimer denn den Artikel hätte durchgehen lassen, wenn er ihn denn vorher gelesen hätte? Der be-stand darauf, daß Satire alles dürfe und sich die harten Jungs der Bundeswehr auch harte Kritik gefallen lassen müßten. Im übrigen trage der Werbespot anscheinend selbst realsatirischen Charakter, denn Deutschlands Werbepapst Michael Schirner habe ihn im Spiegel als „klaren Fall von Wehrkraftzersetzung“ gewürdigt. Schirner damals wörtlich: „Die Leute glauben doch nicht jeden Blödsinn.“

„Doch“, widersprach der Richter heftig. Und verweigerte sogar die Annahme des Spiegel-Artikels, weil er den seit Jahren nicht mehr lese und auch kein Fernsehen gucke, höchstens „ab und zu mal in die taz“. Und als Zeitungsleser, bekannte er, „möchte ich mich auch mal amüsieren“.

Erfolgte der Freispruch – der Oberamtsanwalt hatte 4.000 Mark Geldstrafe beantragt – also aus ureigenstem Interesse? Der Artikel sei nun mal Satire, begründete ihn der Amtsrichter, gewiß „starker Tobak“ und ein „feuilletonistischer Veitstanz“. Aber man wünsche sich, daß „alle so schreiben“, denn „mit vornehm und fein ist manchmal nichts zu machen“. „Nun wollen wir mal sehen, wie die Staatsanwaltschaft darauf reagiert“, verabschiedete er seine amüsierte Zuhörerschaft. usche