■ Arbeiterproteste in Ost und West als Kurzmeldung
: Gebt uns Zuversicht!

Bremen, Eisenhüttenstadt, Chemnitz, Schweinfurt, seit Wochen vergeht kaum ein Tag ohne Arbeiterproteste in dieser Republik – in Ost und West. Und was passiert? Kurzmeldungen, 30-Sekunden-Spots – das neue Deutschland stolpert unbeeindruckt voran. Vielleicht war das, was in der Nacht zum Donnerstag auf der B1 in Dortmund geschehen ist, so etwas wie eine letzte Warnung – nicht nur an die politische Klasse in diesem Land. Die wohlbestallten „Freizeitoptimierer“, von der Skipiste zur Sonneninsel hetzend, der deutsche Michel in Gestalt des Zeitgeist- Schickis, immer von der Sorge getrieben, den neuesten Trend verpassen zu können, sie tragen mit ihrer dumpfen Verweigerung allem Sozialen und Politischen gegenüber ihren Teil zur Erosion des gesellschaftlichen Fundaments bei. Dagegen sind biedere sozialdemokratische Ortsvereinsaktivisten oder Kaffee kochende GewerkschafterInnen geradezu kulturelle Lichtgestalten. Für die Misere des Landes tragen nicht nur die politischen und ökonomischen Entscheidungsträger Verantwortung, sondern auch die, die sich vor jedem gesellschaftlichen Engagement drücken. Das Signal des auf der B1 in Dortmund fokussierten sozialen Protestes an die Gesellschaft ist eindeutig: Tut etwas, kümmert euch, laßt uns mit unseren Ängsten, mit unserer Wut nicht allein, entwickelt so etwas wie eine Vorstellung von der Zukunft, die auch für uns und unsere Kinder etwas zu bieten hat. Gebt uns Zuversicht! Das ist die Botschaft, die aus allen Krisenbranchen und -regionen dringt. Diese Sucht nach gesicherter Zukunft, nach Orientierung in einer immer unübersichtlicher werdenden Welt läßt sich theoretisch leicht als naiv, als idealistisch verdammen. Doch sie ist da – in jedem von uns. Gerade weil die fatale Suche nach einfachen Antworten immer dann zunimmt, wenn die Probleme komplizierter werden, bedarf es der rationalen politischen Einmischung überall da, wo es brennt.

Gewiß, das komplizierte politökonomische Knäuel zu entwirren erscheint nicht nur in der Stahlindustrie als Herkulesarbeit. Doch wer sich dafür zu schade ist, wer sich drückt oder in billige Demagogie flüchtet, trägt mit dazu bei, wenn desorientierte Menschen ihre Hoffnung auf Rechts außen richten. Von dieser Flucht bekommt man an allen sozialen Brennpunkten etwas zu spüren – auch im Revier. Engagierte Gewerkschafter, Betriebsräte und Vertrauensleute stemmen sich täglich gegen diesen Trend. Werden sie allein gelassen, können sie nicht gewinnen. Walter Jakobs, Bochum