Christophers Reise nach Jerusalem

Nach seiner Tour durch die arabischen Metropolen widmet sich der US-Außenminister jetzt dem schwierigsten Teil der Mission: dem israelisch-palästinensischen Konflikt  ■ Von A. Wollin und K. El-Gawhary

Tel Aviv/Kairo (taz) – Nach dem Vorbild seines Vorgängers James Baker beendet auch der neue US-Außenminister Warren Christopher seine erste Nahost- Rundreise mit einem verhältnismäßig langen, zweieinhalbtägigen, Aufenthalt in Jerusalem. Im Anschluß an Gespräche mit Regierungschef Rabin und Außenminister Peres ist für morgen das erste von zwei Treffen mit den palästinensischen Vertretern in Ostjerusalem vorgesehen.

Nach Angaben aus diplomatischen Kreisen in Kairo und Amman suchte Christopher seine arabischen Gesprächspartner in den letzten Tagen nicht nur zu einer Wiederaufnahme der bilateralen Verhandlungen mit Israel zu bewegen – Tenor: „Nebensachen“ wie die Deportierten „hinten anzustellen“. Darüber hinaus sollen die arabischen Regierungen ihren Boykott der wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenarbeit gegenüber Israel aufgeben, um „ein günstiges Klima für die Verhandlungen zu schaffen“. Christopher mußte jedoch zur Kenntnis nehmen, daß man in den arabischen Hauptstädten nicht bereit ist, diese politische Karte aus der Hand zu geben, ohne daß auch nur im mindesten klar ist, was bei den Nahostverhandlungen für die arabische Seite herauskommen kann.

Schon bei seiner Ankunft in Kairo am vergangenen Donnerstag stand für Christopher offenbar fest, wie er möglicherweise eine Wiederaufnahme der Nahostverhandlungen unter Beteiligung der Palästinenser erreichen kann: Die israelische Regierung soll das Exil für die rund 400 deportierten Palästinenser weiter abkürzen, von einem Jahr auf 6 Monate. Das hieße, Rückkehr aller Deportierten im Juni, sofern die palästinensische Verhandlungsdelegation bereit ist, an der nächsten Gesprächsrunde mit Israel im April teilzunehmen. Christophers ägyptische Gesprächspartner regten einen anderen Kompromiß an, nach dem ein Drittel der Deportierten sofort, ein Drittel kurz vor der Wiederaufnahme der bilateralen Verhandlungen und das letzte Drittel im Juni zurückkehren könnte. Die Palästinenser werden in jedem Fall wenigstens eine Garantie dafür verlangen, daß Israel keine weiteren Deportationen mehr durchführen wird. Rabin ist zwar angeblich bereit, die Rückführung der Deportierten noch etwas zu beschleunigen, doch wird er sich weigern, irgendwelche offiziellen Garantien für die Unterlassung weiterer Deportationen zu geben.

Zugleich weist die israelische Regierung auf eine Reihe geplanter „Gesten“ zu Beginn des Ramadan hin: „Erleichterungen“ bei Reisen über die Allenby-Brücke oder im Zusammenhang mit der Zusammenführung palästinensischer Familien und Freilassung einiger Häftlinge. Aus palästinensischer Sicht handelt es sich dabei aber um unwesentliche Zugeständnisse, da sich an den eigentlichen Repressalien nichts ändert.

Peres' wiederholte Anregung, die Verhandlungen allmählich auf die Ebene von Außenminister- Treffen zu befördern, scheint Christophers Unterstützung zu finden. Außerdem befürwortet der amerikanische Außenminister eine aktivere Beteiligung der USA an den Nahostgesprächen, um Schwung in die bislang ergebnislosen Verhandlungen zu bringen. In diesen Punkten gibt es allerdings ernste innerisraelische Differenzen. Denn Rabin beansprucht die oberste israelische Zuständigkeit für die bilateralen Gespräche und ist nicht bereit, seinem Außenminister und Rivalen Peres einen wichtigen Teil der Federführung zu übertragen. In Jerusalem ist man außerdem von einem eventuellen „Übermaß an Intervention“ der USA wenig begeistert.

Rabin gibt jetzt wesentlich vorsichtigere Prognosen ab als bei seinem Amtsantritt. Damals versprach er ein Autonomie-Abkommen mit den Palästinensern und die Abhaltung von Wahlen in den besetzten Gebieten bis zum Frühjahr dieses Jahres. Gegenwärtig spricht er nur mehr davon, daß bis Ende des Jahres oder Anfang 1994 „deutlich wird, ob wir uns auf dem Weg zur Unterzeichnung eines Friedensabkommens befinden oder frostigen Zeiten entgegensehen – mit allen Gefahren, die damit verbunden sind.“ Dafür setzt er in seinen Erklärungen neuerdings eindeutig auf ein Abkommen mit Syrien.

Die letzte Entscheidung der Palästinenser über ihre Rückkehr in die Nahostverhandlungen wird in Tunis fallen, nach Rücksprache mit Feisal Husseini und seinen Kollegen. Dort ist man über das Junktim zwischen Deportiertenrückkehr und Wiederaufnahme der Verhandlungen geteilter Meinung. Die „Deportiertenkrise“ hat den Einfluß der islamistischen „Hamas“-Bewegung in den besetzten Gebieten und der übrigen Gegner von Verhandlungen mit Israel erheblich gestärkt. Die PLO möchte unter allen Umständen vermeiden, daß Hamas, der die meisten Deportierten zugerechnet werden, nun die politische Initiative übernimmt. Andererseits kann die palästinensische Führung in Tunis und in den besetzten Gebieten die palästinensische Empörung über die Massendeportation und über die lasche Reaktion der USA und der UNO nicht ignorieren.

Doch der amerikanische – und der arabische — Druck auf die Palästinenser ist gewaltig. Das Dilemma der palästinensischen Delegation ist kaum zu lösen. Sie wird ihrem Volk wenigstens beweisen müssen, daß alle Deportierten jetzt „bereits auf dem Rückweg“ in die besetzten Gebiete sind und daß Washington fest verspricht, Israel in den Nahostgesprächen wesentlich günstigere und akzeptable Autonomieregelungen abzuverlangen.