Galoppierende Schwindsucht in Italiens Regierung

■ Halbherziger Umbau der Administration Amato nach weiteren Rücktritten

Rom (taz) – Mit einer raschen Um- und Neubesetzung einiger Ministerien versucht Italiens Regierungschef Giuliano Amato, Vorsteher einer Koalition aus Christ- und Sozialdemokraten, Sozialisten und Liberalen, dem galoppierenden Schwund seiner Ressortchefs entgegenzusteuern: Am Freitag nachmittag waren Finanzminister Giovanni Goria, ein Christdemokrat, und Gesundheitsminister Giovanni De Lorenzo, ein Liberaler, zurückgetreten. Ersterer, weil er sich von bösen Schmiergeldgerüchten verfolgt fühlt, letzterer, weil ihm die Staatsanwälte Wahlschieberei vorwerfen; zudem wurde am Freitag auch noch sein 89jähriger Vater, Präsident der Ärztekammer, wegen Verdachts von Schmiergeldannahmen im Zusammenhang mit Sozialbauten verhaftet.

Tatsächlich fiel der Regierungsrunde der Abschied von den beiden Ministern nicht sonderlich schwer, auch wenn es nach Außenminister Scotti und Justizminister Martelli nun schon der dritte und vierte Abgang innerhalb eines halben Jahres ist. Doch die beiden nun Ausgeschiedenen haben seit Monaten nur noch negative Schlagzeilen produziert. Finanzminister Goria verwirrte die Börse wie den Privatmarkt immer wieder mit unausgegorenen Ideen oder griff Notenbankchef Ciampi just in dem Augenblick an, wo dieser Italien international wieder den Ruf neuer Stabilität verschafft hatte. De Lorenzo zeigte sich außerstande, das schwer angeknackste Gesundheitssystem wieder auf die Beine zu stellen.

Doch der große Wurf ist die nun erfolgte Regierungsumbildung auch nicht. De Lorenzo wird durch den bisherigen Regionalminister Raffaele Costa ersetzt, auch er ein Liberaler, von dessen Kompetenz im Gesundheitsressort bisher niemand etwas gehört hat. An Costas Stelle tritt als Regionalminister (ein wegen der anstehenden Verfassungsreform besonders wichtiges Amt) der profillose Gianfranco Ciauro, und neuer Finanzminister wird der bisherige Haushaltsminister Franco Rovilgio, dessen wichtigste Leistung darin besteht, alle paar Tage neue Löcher im Etat zu entdecken.

Der einzige Lichtblick scheint da vielen der neue Haushaltsminister Beniamino Andreatta: ein Vollblutökonom, der bereits vor zehn Jahren die Sanierung angemahnt hatte, die Amato inzwischen versucht, und der seither fürsorglich von jedem Ministeramt ferngehalten worden war. Doch auch hier scheint Amato der nötige Mut gefehlt zu haben: Die Auguren hatten erwartet, Andreatta werden nach dem einstigen Muster Karl Schillers oder Helmut Schmidts ein Superministerium übernehmen – doch statt dessen muß auch er sich nun mit seinen Kollegen aus dem Finanz-, dem Wirtschafts- und dem Industrieressort darüber streiten, woher die notwendigen Mittel kommen sollen und wohin sie gehen sollen.

Doch Andreatta ist hochangesehen nicht nur in seiner DC, sondern auch und vor allem beim oppositionellen Partito democratico della sinistra. Und dessen Chef Achille Occhetto hat bereits Rauchzeichen ausgesandt, er könne sich den – von vielen Seiten und insbesondere von Staatspräsident Scalfaro – gewünschten Eintritt in eine Große Koalition durchaus vorstellen, wenn Leute „wie Andreatta“ darin die Sanierung übernehmen. Werner Raith