Müllkampf in Bremen

■ Streit um MVA / Gelber Sack und codierte Tonne - „Bloß nicht an den Zeitplan glauben“

In Bremen tobt der Müllkampf. Es vergeht kaum eine Woche, in der nicht mindestens eine Presseerklärung zur geplanten Schließung der Bremer Müllverbrennungsanlage abgegeben wird, und die Konfliktlinien gehen mitten durch die Ampelkoalition. Nachdem die CDU und die FDP vor zwei Wochen das Schließungsdatum 1997 angezweifelt hatten, hat Ende letzter Woche die FDP noch einmal nachgestoßen: Der anvisierte Termin müsse zur Disposition gestellt werden, meint der umweltpolitische Sprecher der FDP-Fraktion Magnus Buhlert. Von der SPD kamen in der vergangenen Woche gleich zwei Pressemitteilungen an einem Tag: Die Sprecherin der Umweltdeputation Christine Wischer stellte sich voll hinter die Schließungspläne, während der Bremerhavener UB- Vorsitzende Siegfried Breuer mitteilen ließ, aus den Äußerungen des Umweltstaatsrats Lahl sei zu entnehmen, daß der nicht mehr an den Termin glaube. „Wenn man sich verkalkuliert haben sollte, kann Bremerhaven nicht für die Lösung der Bremer Müllprobleme herangezogen werden“, meint Breuer. Eine Ausweitung der Bremerhavener MBA-Kapazitäten sei mit ihm nicht zu machen.

Das Umweltressort hält dagegen unbeirrt an seinen Plänen fest. Möglicherweise müsse man aber Übergangsregelungen vereinbaren, meinte Staatsrat Uwe Lahl. In zwei Senatsvorlagen für die heutige Sitzung stellt der Umweltsenator einen Fahrplan für die Einführung des gelben Sackes und der codierten Mülltonne vor. Doch aus der Ressortspitze kommen auch daran die ersten Zweifel. So schnell ließe sich das Müllaufkommen nicht reduzieren.

In den Koalitionsvereinbarungen hatte die Ampel festgelegt, daß es keinen MVA-Neubau in Bremen geben solle, wenn die alte Müllverbrennungsanlage 1997 wegen zu hoher Schadstoffbelastung ohnehin stillgelegt werden müsse. Bis dahin, so die Planung, solle so viel Energie in die Bereiche Müllvermeidung und —verwertung gesteckt werden, daß der Restmüll ohne größere Probleme durch die erneuerte MBA in Bremerhaven verbrannt werden könne. Daran entzündet sich jetzt der Streit. Und der geht mitten durch die Koalition: Umweltres

Kann mal jemand den Müll runterbringen?Foto:Archiv

sort, Grüne und Teile der SPD halten weiter an den Plänen fest, CDU, FDP und der andere Teil der Sozialdemokraten glaubt nicht an die Realisierungschancen und stellt den Schließungstermin in Fage — ungefähr einmal wöchentlich.

Die Angst der Nordkolonie vor der Müllawine.

Insbesondere aus Bremerhaven kommt die sozialdemokratische Kritik. Hinter dem Zweifel an der Reduzierung der Müllmenge, die dann ab 1997 in Bremerhaven ankommt, steckt die Furcht, wenn es doch mehr Bremer Müll würde, müsse die Bremerhavener Anlage möglicherweise erweitert werden. Wo doch Bremerhaven sowieso immer von Bremen benachteiligt wird! Erst ab dem Jahr 2.000 würden in Bremerhaven weitere Verbrennungskapazitäten frei, heißt es vom SPD-Unterbezirkschef Breuer. Denn dann läuft der Müllvertrag mit dem Landkreis Verden aus. Mißtrauisch beäugt von Bremerhaven soll jetzt der Bau eines vierten Verbrennungskessels für die MBA beschlossen werden. Begründung: Damit zwei der drei bestehenden Kessel dann sukzessive auf den neuesten technischen Stand nachgerüstet werden können. Die Befürchtung ist dabei klar: Wenn dann drei nagelneue Öfen fertig sind, ist der Sachzwang so groß, daß der vierte gleich auch modernisiert wird, und schon ist

die Ausweitung der Kapazität da.

Immer wieder wird einer von den Kritikern als Zweifler zitiert, der für die Umorientierung der Müllpolitik verantwortlich ist: Umweltstaatsrat Uwe Lahl. Der solle auch schon nicht mehr daran glauben, daß der ehrgeizige Öko- Plan klappen könnte. Da helfen auch keine Dementis. Allerdings räumt Lahl auch unter ungünstigen Entwicklungen (größere Müllmengen) ein „kleineres Entsorgungsproblem“ für die Jahre 1997 bis 2.000 ein. Noch sei unklar, ob für diese Jahre die Bremerhavener Kapazitäten ausreichten. Danach sei aber alles klar. Für den fraglichen Zeitraum müsse man sich etwas einfallen lassen, zum Beispiel größere Anstrengungen bei der Vermeidung und Verwertung. Möglicherweise könne man die Bremer MVA auch nicht auf einen Schlag zum 31.12.97 um 23.59 Uhr dichtmachen. Lahl: „Da ist es überhaupt nicht hilfreich, wenn dann ein Koalitionspartner immer wieder darauf herumreitet, daß wir eine Punktlandung hinkriegen.“

MVA-Neubau bei leeren

Kassen

Zur Schließung gebe es so oder so nur die Alternative Neubau. Der kostet rund 800 Millionen Mark, inklusive der Modernisierungskosten der MBA Bremerhaven über eine Millarde, und am Ende stünden, insgesamt, die gewaltige

Überkapazität von fast 100 Prozent. Die wiederum könne man nur über den Zukauf von Müll aus dem Umland beseitigen. Umweltpolitisch äußerst kontraproduktiv, meint Lahl, und dazu noch immens teuer: „Ich möchte nicht in der Haut derer stecken, die eines fernen Tages das dem Gebührenzahler erklären sollen.“ Lahl hält dagegen seinen Vorschlag für ökonomisch und ökologisch sinnvoller, für den Restabfall in Bremen eine Vorbehandlungs-Anlage zu bauen („RABA“). Dort könnte man den Gewerbe-Abfall sortieren, den nassen Müll biologisch behandeln und die Reste in eine Umschlagstation für Bremerhaven geben.

Gelber Sack und codierte Mülltonne: Kann der Zeitplan gehalten werden? Zweifler im eigenen Haus.

Unterdessen hat der Umweltsenator einen Zeitplan zur Einführung des Gelben Sackes und der codierten Mülltonne erstellt. Der soll heute im Senat beraten und dann als Antwort auf eine kleine Anfrage der FDP abgestimmt werden. Demnach soll bis Ende nächsten Jahres das Müllsammelsystem vollkommen umgestellt sein. Ob das allerdings so klappt, wie in dem Papier vorgestellt, das wird im Hause des Umweltsenators selbst heftig bestritten: „Der Zeitplan? — Bloß nichts von glauben.“ Jochen Grabler