Sanssouci
: Nachschlag

■ Peter Schneider las in der "Kulturbrauerei" aus seinem Roman "Paarungen"

Um „Paarungen“ sollte es gehen, das jüngste Werk und den ersten Roman des notorischen Alt-68ers, und jeder weiß natürlich schon, daß unter diesem ans liebe Vieh gemahnenden Titel die gute alte Zweierkiste abgehandelt wird. Auch die Bewohner des Ostteils der Stadt, denen sich Peter Schneider zum ersten Mal vorstellte, waren auf dem laufenden, obwohl der Berliner Autor, als er noch ein Westberliner Autor war, nie etwas in der DDR hatte veröffentlichen dürfen und deshalb dort auch nur wenig bekannt war. Hier sprach er nun vor zahlreich Erschienenen, zu denen er zunächst leutselig-routiniert den Kontakt herstellte, indem er deutsch-deutsch über sein zu DDR-Lebzeiten erschienenes Buch „Der Mauerspringer“ plauderte, dann wurde abgestimmt, welches Kapitel aus den „Paarungen“ denn nun verlesen werden sollte, da sich einige der Zuhörer das erste Kapitel, das der Autor vorgeschlagen hatte, nicht anhören wollten. Das mußten sie dann doch, da die Mehrheit zwar das Thema kannte, aber offensichtlich das Buch noch nicht gelesen hatte und die Geschichte von Anfang an hören wollte.

Heiter-gelöst ließ man sich sodann ins wortreiche Reagenzglas der „Paarungen“ tauchen, deren männliche Hauptfigur, der Molekularbiologe Eduard, als literarisches Zwitterwesen Musil und Goethe gleichermaßen up to date liftet; naturwissenschaftlich essayistisches Erbgut steuerte ersterer bei, auf die „Wahlverwandtschaften“ verweist diskret der Name der Figur wie auch der Beziehungsspaltpilz, von dem diese befallen wird. Das Vorgelesene gefiel, man lachte, wie es ja auch beabsichtigt gewesen war – genüßlich, und deutlich las der Autor auf die Pointen hin und erklärte nach beendeter Lektüre, er habe einen unterhaltsamen Roman schreiben, sehr schwere Sachen leicht erzählen wollen. Welche schweren Sachen? Nun ja, Trennungen, Orientierungslosigkeiten, dargestellt an der 68er-Experimentiergeneration, der die tradierte Kleinfamilien-Institution abhanden gekommen sei. Mit der heiteren Zweisamkeit von Autor und Publikum war es dann vorbei, als Schneider, aus der Fülle seiner Recherchen zur Molekularbiologie schöpfend – schließlich dröselt der Held des Romans ja hauptberuflich DNS-Schleifen auf – erklärte, genetische Faktoren seien ja bisher enorm unterschätzt worden, in großem Maße sei der Mensch eben doch durch sein Erbgut bestimmt; man protestierte, wandte ein, brachte vor, stand auf, und während der Schriftsteller noch über Zwillingsforschung dozierte, leerten sich allmählich die Ränge. Versöhnlich meldete sich dann noch „eine Mutti zweier“ Kinder zu Wort, der alles sehr gut gefallen hatte, um eine Widmung in den frischerstandenen „Paarungen“ zu bitten. Iris Michaelis