Boote bauen: Nichts für Damen

■ Marlies Hinners will trotzdem in den "eingefleischten Männerberuf"

Boote bauen: Nichts für Damen

Marlies Hinners will trotzdem in den „eingefleischten Männerberuf“

Wer zu Marlies will, muß sich durchkämpfen — und unter dem Schiffsrumpf, der längs in der großen Halle aufgebockt ist, durchkriechen. Ganz hinten am Heck streckt sie den Kopf durch die Ausstiegsluke für die Badeleiter. Sorgfältig paßt sie eine dreieckige Spanplatte ein, haut mit dem Klüpfel ein paarmal dagegen, damit sie dicht anliegt. Wenn das Schiff zu Wasser geht, darf hier keine Ritze sein.

Marlies Hinners ist eine der ganz wenigen Bootsbauerinnen in Deutschland. Vor zweieinhalb Jahren hat die 33jährige ihre Umschulung beim Jugendkutterwerk auf dem Bremer Vulkan-Gelände begonnen, weil sie hier ihre Liebe zum Segeln und zu Schiffen mit ihrem Sinn fürs Handwerkliche verbinden konnte. „Ich habe schon als Kind viel gezeichnet und gebastelt“, erzählt Marlies — allerdings nie an Papas Werkbank. Auch wenn ihr Vater segelte, hat er die Tochter nie mitgenommen. Und heute beneidet Marlies manchmal die Jungs an der Werkbank neben ihr um die selbstverständliche Einführung in Technik und Handwerk, die sie zu Hause bekommen haben. „Ich bin nicht so geschickt wie die, darum muß ich mehr tun.“ Aber sie hat Ehrgeiz — „in meinen kühnsten Träumen bin ich schon Meister“ — und weil sie außerdem überzeugt ist, daß das „alles lernbar“ ist, bleibt sie oft an der Werkbank stehen, während die anderen Zigarettenpause machen.

Nach der Schule hatte Marlies Hinners Verkäuferin gelernt. Ein Beruf, in den die Mutter zweier Kinder nicht zurück wollte. Kein Berufsberater wäre damals, vor 18 Jahren auf die Idee gekommen, der Bastlerin eine Handwerkerlehre zu empfehlen. Schiffebauen war ein Traum. Nicht nur weil sie segelt — „ein Schiff hat eine faszinierende Ästhetik, in einem Boot gibt es keine rechte Winkel. Es ist wie eine Welt für sich.“ Als Bootsbauerin erlebt sie die Geburt eines Bootes von der Zeichnung bis zum Stapellauf. Und während der Umschulung ist sich Marlies Hinners darüber klar geworden, daß sie später tatsächlich in diesem Beruf arbeiten will. Auf den Bootsmessen in Hamburg hat sie bei verschiedenen Betrieben angefragt, ob sie sie einstellen würden. „Im Büro gerne“, erhielt sie zur Antwort, oder: „Keine Damentoiletten“, oder, ganz offen: „Wir nehmen keine Frauen“. Doch obwohl sie „keine positive Antwort“ erhielt, will sie weiter in diesen „eingefleischten Männerberuf“.

Sechs Wochen lang hat sie ein Praktikum in einem Bootsbaubetrieb gemacht und festgestellt: „Es gibt sehr starke Vorbehalte. Es dauert lange, bis das Eis gebrochen ist.“ In ihrer Ausbildung, an der außer ihr noch zwei andere Frauen teilnehmen, hat Marlies keine Vorurteile gespürt: „Hier läßt dich keiner fühlen, daß du unterlegen bist.“ Aber: „In den ganz normalen Betrieben hat sich nichts geändert. Das kann sich nur ändern, wenn sie mal eine Frau reinlassen.“ Und kein normaler Betrieb, glaubt Marlies, hätte der Mutter so selbstverständlich frei gegeben, wenn mal ein Kind ein krank ist.

In ihrer Lehre und in der Auseinandersetzung mit den Kollegen hat sie „diesen Mutterinstinkt“ abgelegt, „sich immer für alles zuständig zu fühlen“. Den Frauen, die in Männerbetrieben arbeiten, rät sie, sich die Männer, mit denen sie zusammenarbeiten, genaus anzuschauen. Und Grenzen zu ziehen: „Eine Frau muß sehr aufpassen, daß ihr, weil sie vielleicht kooperativer ist, nichts aufgedrückt wird.“ Aber weil sie auch „ein bißchen Angst hat, vor einem Betrieb, in dem überhaupt keine Frauen mehr sind“, überlegt sie manchmal, später in einem Frauenprojekt zu arbeiten. Der Reiz: „Wahrscheinlich organisieren Frauen die Arbeitsabläufe anders als Männer. Und vielleicht ist es auch ein bißchen leichter.“ 80 Prozent der Frauen, die eine handwerkliche Ausbildung gemacht haben, schmeißen das wieder hin, zitiert Marlies aus einer Statistik. „Ich möchte auf jeden Fall zu den anderen 20 Prozent gehören.“ Diemut Roether