Schweizerin von Militärs in Kurdistan erschossen

■ Die militante Linke war in der Türkei aktiv

Berlin (taz) – Bei einem Militärüberfall in der Nähe von Tunceli in Türkisch-Kurdistan ist die 37jährige Schweizerin Barbara Kistler erschossen worden. Das erklärte gestern der Züricher Rechtsanwalt Marcel Bosonnet. Obwohl sich der Vorfall bereits vor zwei Wochen zutrug, haben sich die türkischen Behörden noch nicht dazu geäußert und sind die genauen Umstände nicht bekannt. Die türkischen Medien haben den Tod der Schweizerin in dem Gebiet, das sich im Ausnahmezustand befindet, nicht einmal gemeldet.

Im Mai 1991 war Kistler schon einmal bei einer Razzia in die Hände der türkischen Sicherheitskräfte gefallen, und in der Haft war sie gefoltert worden. Im vergangenen Jahr verurteilte ein Gericht in Ankara sie in Abwesenheit wegen Unterstützung von Terroristen zu drei Jahren und neun Monaten Haft. Kistler war in der maoistischen türkischen TKP/ML aktiv, die auch kämpfende Einheiten hat. In der Schweiz betätigte sie sich in dem „Komitee gegen Isolationshaft“. In den vergangenen Jahren pendelte sie offenbar zwischen der Schweiz und der Türkei. Die Nachricht von ihrem Tod gelangte über die TKP/ML an ihre Angehörigen.

Nicht nur in Kurdistan, sondern in der Türkei insgesamt hat sich die Lage der Menschenrechte im vergangenen Jahr dramatisch verschlechtert. Das geht aus dem Jahresbericht des Dokumentationszentrums der Menschenrechtsstiftung der Türkei hervor, der gestern in Ankara veröffentlicht wurde. Er listet Hunderte von Morden, für die Polizei und Militär verantwortlich sind, sowie die „systematische Verfolgung“ oppositioneller Politiker und Journalisten auf. Davon ungerührt, forderte Premierminister Suleyman Demirel die bundesdeutschen Behörden erneut auf, keine Asylanträge von türkischen Staatsangehörigen anzuerkennen: „In der Türkei gibt es keine Verfolgung.“ Seite 9