Körperwerbung für rechte Gesinnung

Nazi-Symbole auf der Haut bringen kaum Ärger mit der Justiz, obwohl die Zurschaustellung faschistischer Symbole strafbar ist/ Auch Gerichte übersehen die Symbole bei Angeklagten  ■ Von Ute Meinel

Berlin. Der Trend zur Tätowierung hat nicht nur feuerspeiende Drachen, Schmetterlinge oder Meerjungfrauen auf deutsche Körper gezaubert. Es prangen dort auch immer mehr Hakenkreuze. Besonders in Berlin floriert das eigentlich verbotene Geschäft mit in die Haut gestichelten Nazi-Symbolen. Im Ostteil der Stadt gab es bereits Mitte der 80er Jahre eine Untergrundgruppe, die in großem Umfang und mit Hilfe von „West- Glatzen“ rechtsextreme Gesinnung auf der Haut verewigte, wie eine junge Frau berichtet, die dabei war. „Wir hatten im Monat etwa zehn Kunden, und für ein Rückenbild mit Reichsadler und der Aufschrift ,Deutschland über alles‘ mußten damals schon über 500 Mark hingeblättert werden.“

Rechtsextreme Gesinnung wird auf der Haut verewigt

Weder die auf diese Weise Gezeichneten noch die Hinterzimmer-Tätowierer haben viel von Polizei und Justiz zu befürchten. Dabei ist das öffentliche Tragen von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen nach Paragraph 86 a des Strafgesetzbuches verboten. „Zwar werden Tätowierungen nicht extra aufgeführt, aber an der Strafbarkeit gibt es nichts zu deuteln“, sagt Berlins Justizsprecher Bruno Rautenberg. Es habe immer mal wieder Verurteilungen in solchen Fällen gegeben.

Im Mai vergangenen Jahres standen fünf jugendliche Skinheads wegen eines brutalen Überfalls auf zwei Algerier vor dem Berliner Landgericht. Einer davon trug für jeden sichtbar ein Hakenkreuz auf dem Unterarm, ein anderer gar auf Hals und Nacken. Die Staatsanwälte müssen es übersehen haben. Bei der Feststellung der Personalien sagte einer der Angeklagten aus, arbeitslos und Tätowierer zu sein. „Ich hab' viele Kunden aus allen Schichten und in jedem Alter gehabt, die SS-Runen, Reichskriegsflaggen oder Hakenkreuze wollten“, tönte der junge Mann in einer Verhandlungspause. „Da gibt's 'ne riesige Nachfrage.“

Die neun offiziell registrierten Tätowierungsstudios in der Hauptstadt wollen mit solchen Motiven allerdings nichts zu tun haben. Sie fürchten um ihr Geschäft und glauben, daß politische Ansichten vergänglich sind. Daher stechen sie nach eigenen Angaben weder RAF-Symbole noch SS-Runen. Bodo von „Fantasy Tattoo“ in Kreuzberg sagt, nach der Maueröffnung seien „Fascho-Motive“ verstärkt verlangt worden. „Aber die haben längst mitgekriegt, daß kein Profi politische Motive macht“, betont Hans-Joachim Monien, Präsident des Vereins professioneller Tätowierer Deutschlands und Inhaber von „Hängo's Tattoo Studio“ in Charlottenburg.

Wie aus einem Reichsadler ein Fantasy-Gebilde wird

Beide versichern übereinstimmend, junge Rechte innerhalb weniger Minuten von ihrem Wunsch nach einem Nazi-Motiv abbringen zu können. „Das ist meist keine feste innere Überzeugung, sondern die Mode ihrer Clique“, glaubt Hängo. „Die haben alle kein Rückgrat“, meint sein Assistent. Bodo und Hängo haben inzwischen immer öfter Kunden, die sich Nazi- Sujets „übertätowieren“ lassen. Ein Reichsadler wird dann zum Beispiel zu einem Fantasy-Gebilde. „So was machen wir besonders gern“, betont Gabi von „Haäwi Tattoo“ in Neukölln. Sie freut sich über jeden Gesinnungswandel.

Doch kaum jemand ruft die Polizei, wenn er zufällig auf einem Unterarm eine Rune sieht. „Wo kein Kläger, da kein Richter“, sagt ein Polizeisprecher. Unter der Kleidung könne jeder tragen, was er wolle. „Wenn sich einer eine Hitler-Büste aufs Klavier stellt, ist das ja auch nicht strafbar“, erläutert der Leiter der Abteilung Extremismus der Berliner Staatsanwaltschaft, Carlo Weber.

In der Hauptstadt sei den Beschuldigten bisher meist nahegelegt worden, sich die Tätowierung entfernen zu lassen oder unkenntlich zu machen. Dann seien Verfahren, so fügt Weber hinzu, häufig wegen Geringfügigkeit eingestellt worden. Vor Jahren wurde die Entfernung sogar zur Bewährungsauflage gemacht, wie sich Justizsprecher Rautenberg erinnert. Dadurch jedoch wird der Betroffene indirekt gezwungen, einen Eingriff an seinem Körper vorzunehmen. Laut Grundgesetz aber ist die körperliche Unversehrtheit des Individuums garantiert. Und eine Tätowierung herausschälen oder wegätzen zu lassen, ist schmerzhaft und hinterläßt in jedem Fall Narben. „Die müssen das schon freiwillig machen“, erläutert Weber. „Wir können ja nicht einfach an den Leuten rumschnippeln.“

Nur die öffentliche Zurschaustellung von NS-Symbolen ist verboten. Im Gegensatz zu anderen Straftatbeständen ist eine solche Tätowierung ein sogenanntes Dauerdelikt: Für ein und dasselbe Zeichen kann es immer neue Anzeigen hageln. „Selbst Uneinsichtige merken dann schon, daß sie damit nicht weiterkommen“, sagt Carlo Weber. Dafür sei jedoch der entsprechende Druck nötig. dpa