■ Über rabiate Maßnahmen gegen den Schnupfen
: Wer heilt, hat recht

Berlin (taz) – Bestimmt hat es auch Sie in diesem Winter wieder mal erwischt. Tonnenweise Taschentücher sind dabei draufgegangen, so manches Wochenende mußte das Klopapier dran glauben. Auf der Straße ohne Schnupftuch haben Sie sich wahrscheinlich auch heimlich umgesehen, um dann, wenn Sie sich unbeobachtet glaubten, ein Nasenloch zuzuhalten und im hohen Bogen auf den Asphalt zu rotzen. Oh du Nase, du verführst zu abscheulichem Bruch mit dem gepflegten Schleim aus Knigges Knorpeln.

Was tun gegen den Schnupfen? Gar nichts, meinen die meisten, und vielleicht haben sie sogar recht. Aber warum tut gerade deshalb jeder doch etwas dagegen? Nicht umsonst vermarkten Firmen erfolgreich Nasensprays, -salben oder -tropfen. Ein Zauberwort unter Gegnern der Wick-Front heißt Sinupret. Heilpflanzlich und nebenbei ziemlich alkoholhaltig schwören besonders die Schnapsdrosseln unter den Kranken auf dieses Präparat. Manche sind so begeistert von der Wirkung, daß sie sich gleich die Flasche an den Hals setzen.

Ganz im Sinne von Pfarrer Sebastian Kneipp sollen auch Wannenbäder Wunder wirken. Schleim in der Nase lösen Fichtennadel- und Thymianextrakte, die dem Wasser zugesetzt werden. Die Kneipptherapie wirkt über die Haut auf den gesamten Organismus und zielt auch auf die kranke Nase ab. Nicht Schonung, sondern Training lautete übrigens das Motto des Pfaffen, der sich schon Mitte des 19. Jahrhunderts mit Krankheiten beschäftigte. Seine bekannten, abwechselnd heißen und kalten Blitzgüsse, die er speziell zur Abhärtung des Körpers entwickelte, sind noch heute ein Greuel für den wärmeverwöhnten Menschen. Kalt duschen nach einem heißen Wannenbad oder so lange mit nackten Füßen im Schnee herumlaufen, bis die Füße schmerzen? Wohl bekomm's. Auch ein solides Kopfdampfbad ist unangenehm. Man koche etwas Kamille mit einigen Tropfen japanischem Heilpflanzenöl auf, gebe das Ganze in eine flache Schüssel und beuge sich darüber. Ein überdimensionales Handtuch über Kopf und Schüssel gehängt, garantiert, daß die Dämpfe eingeatmet werden und die Hitze einen schier zum Verrecken bringt. Lohnt sich aber, wie mir mein verschnupfter Riecher mehrmals bestätigte.

Wer sich gar eine Nebenhöhlenentzündung eingefangen hat, dem öffnet sich eine weitere Armada von Haus- und Heilmitteln, von denen hier nur einige genannt sein wollen. Um die Erhöhung der Abwehrkräfte zu erreichen, greifen pfiffige Patienten immer wieder mal zur Nadel und lassen sich Eigenblut injizieren. Gut bekommen soll den kranken Höhlen auch eine Spülung mit ozonisiertem Wasser, und auch die Nasenreflexmassage mit Nasenreflexöl krönt den Weg zur Besserung.

Das alles ist Ihnen zuviel Getue um den kranken Rüssel? Wie gesagt, wahrscheinlich haben Sie recht. Laß laufen, was laufen soll, sagt sich der Weise und kauft sich im Sonderangebot einen Haufen Schnupftücher. Natürlich die aus Altpapier! Christine Berger