Stahlkocher fürchten „Zeit der Wölfe“

Angst vor Arbeitsplatzverlust trieb auch am Aschermittwoch wieder Zehntausende auf die Straße: Demonstrationen und Blockaden in Duisburg und auf der Sauerlandlinie A 45  ■ Von Walter Jakobs

Duisburg (taz) – Die Proteste der Stahlarbeiter gegen die drohende Schließung von ganzen Stahlstandorten gingen gestern im Revier und im Siegerland unvermindert weiter. Nach Angaben der Polizei beteiligten sich in Duisburg etwa zehntausend Stahlkocher an einer Kundgebung auf der Rheinhausener „Brücke der Solidarität“. Zu den Stahlarbeitern hatten sich mehrere hundert Bergleute aus den umliegenden rheinischen Zechen gesellt. Als symbolisches Zeichen der Verbundenheit „für den gemeinsamen Kampf um die Zukunft des Reviers“ wurde ein Kohlewagen aus der Zeche Walsum, mit einer Stahlbramme, Halbzeug und Drahtrollen aus den Stahlwerken von Krupp, Thyssen und Mannesmann mitten auf der Rheinbrücke zur Freude der zahlreichen Kameramänner zusammengeschweißt. Die Stahlkrise trifft Duisburg ganz besonders hart. 36.000 Menschen arbeiten in den verschiedenen Stahlhütten der Stadt – rund 20 Prozent der Gesamtbeschäftigtenzahl. Branchenprimus Thyssen will bis Ende 1995 8.500 Arbeitsplätze abbauen. In Duisburg-Rheinhausen steht der gesamte Krupp-Standort und damit rund 2.000 Arbeitsplätze zur Disposition. Gerhard Cromme, der oberste Konzernchef im fusionierten Krupp-Hoesch-Konzern, will entweder die Rohstahlbasis in Rheinhausen oder die von Hoesch in Dortmund dichtmachen. Hinter den Kulissen wird derzeit heftig um den kostengünstigsten Standort gerungen. Nach Informationen der WAZ soll die Ruhrkohle AG – unter anderem auf Druck des Dortmunder SPD-Oberbürgermeisters Günter Samtlebe – Cromme zugesichert haben, den Kokspreis für den Dortmunder Hoesch-Standort auf den Preis der kruppeigenen Kokerei in Rheinhausen senken zu wollen. Damit entfiele ein wesentlicher Vorteil für Rheinhausen. Der Duisburger Oberbürgermeister Josef Krings sagte gestern, er betrachte diese Entwicklung, „die den Wettbewerb verzerrt, mit Sorge“. Der Rheinhausener Pfarrer Dieter Kelp, der die Stahlkocher seit Jahren engagiert unterstützt, warnte gestern davor, sich „zur Freude der Stahlmanager“ gegeneinander aufhetzten zu lassen. In Deutschland breche „die Zeit der Wölfe“ an. Den Unternehmern gehe es offenbar um den Weg „zurück in den Steinzeitkapitalismus“.

Da die Rheinbrücke für Stunden blockiert wurde, fuhren Hagener und Siegener Stahlarbeiter in zwei Autokorsos, darunter mehrere werkseigene Schwerlastkraftwagen auf die A45, die das Ruhrgebiet mit Frankfurt verbindet. Für den Fall einer Autobahnblockade hat der zuständige Lüdenscheider Oberkreisdirektor mit strafrechtlichen Schritten gedroht.