Max Streibls letzter Aschermittwoch

■ Bayerns Landesvater läßt nichts auf Freundschaft kommen/ SPD und Grüne fordern Machtwechsel

Passau/Vilshofen etc. (AFP/taz) – „Ich stehe im Feuer. Aber ich stehe.“ Statt als reuiger Sünder in Sack und Asche präsentierte sich der bayerische Ministerpräsident Max Streibl gestern kämpferisch im blauen Anzug. Beim traditionellen Politischen Aschermittwoch der CSU in der Passauer Nibelungenhalle erklärte er, daß er trotz der Amigo-Affäre im Amt bleiben wolle. Allerdings räumte er vor 7.000 Fans ein, es sei „vielleicht ein Fehler gewesen“, daß er sich von seinem „alten Freund“, dem Mindelheimer Flugzeugbauer Burkhart Grob, zum Urlaub einladen ließ. „Ich hätte wissen müssen, daß mit bösen Verleumdungen daraus ein Strick gedreht wird.“ Der angeschlagene Ministerpräsident wies erneut alle Vorwürfe zurück, er habe private und Amtsinteressen miteinander verquickt.

„Freunde zu haben, ist das eine Schande bei der CSU? Deshalb: Saludos Amigos“, rief Streibl, während gleichzeitig ein Plakat: „Brasilien grüßt seinen Amigo“, vom Bundesgrenzschutz entfernt wurde. Vier Schüler und Studenten, die das Plakat mitgebracht hatten, wurden „wegen Störung einer Veranstaltung“ kurzfristig festgenommen.

Der SPD und anderen politischen Gegnern sowie den Medien warf Streibl vor, mit ihren „Schlammschlachten und Verleumdungskampagnen“ nicht ihn persönlich, sondern die CSU treffen zu wollen, „die letzte Bastion der Unionsparteien in Deutschland überhaupt“. Er rechtfertigte seine Reisen erneut mit der notwendigen Kontaktpflege zur Wirtschaft. Unter spärlichem Beifall aus dem Saal versicherte Streibl, er sei „nicht bestechlich“. In weiten Teilen entsprach seine Rede fast wörtlich seinem Verteidigungsversuch im Landtag.

Die SPD-Landesvorsitzende Renate Schmidt warf der CSU vor, nach 36jähriger Alleinherrschaft „jegliches Gespür dafür verloren zu haben, was richtig und was falsch ist“. Sie sagte vor rund 500 Anhängern in Vilshofen, die Bürger hätten das Gefühl, daß sie „schamlos angelogen“ werden. Streibl habe „zum Spott der ganzen Welt und zum Schaden Bayerns“ bei den Unternehmen hingelangt. „Es ist Zeit zu einem Wechsel, weil diese Regierung unerträglich und damit untragbar geworden ist.“

Außenminister Klaus Kinkel räumte bei der FDP-Veranstaltung in Bayerbach „schwere Fehler“ aller Parteien ein: „Natürlich sind Politiker auch nur Menschen. Wer aber in die Politik geht, muß sich gefallen lassen, daß er mit besonderen Maßstäben gemessen wird.“ Viele Bürger verbänden heute mit der Politik Begriffe wie „Selbstbedienung und Machterhalt“. „Gerade jetzt, wo von unseren Bürgern Opferbereitschaft und mehr Füreinander verlangt wird, müssen Parteien und Politiker mit gutem Beispiel vorangehen.“

Der Landesvorsitzende der Grünen, Gerald Häfner, erklärte in Vilshofen: „Der politische Wechsel in Bayern ist überfällig.“

Politiker, die sich von der Industrie aushalten ließen, müßten als bestechlich bezeichnet werden. In Bayern sei ganz offensichtlich, daß bei der Vorteilsnahme auch Gegenleistungen erbracht worden seien. So habe die CSU für die kostenlosen Fahrzeuge der Autohersteller beispielsweise ihre Forderung nach einem Tempolimit auf Autobahnen gestrichen, kritisierte Häfner.

Zugleich meldete er für seine Partei den Anspruch an, bei einem Machtwechsel im Freistaat politische Verantwortung zu übernehmen. Es sei sicher, daß die CSU bei der Landtagswahl 1994 ihre absolute Mehrheit einbüßen werde. „Die CSU ist im freien Fall nach unten.“ Seiten 3 und 10