Unlustige Zuckungen im Sessel

■ Mathias Richlings leidlich komisches Programm "Daß Fernseh' bled macht" beim Kabarettfestival auf Kampnagel / TV-Dauerglotzen und schwäbisches Geschwätz

leidlich komisches Programm »Daß Fernseh' bled macht« beim Kabarettfestival auf Kampnagel/ TV-Dauerglotzen und schwäbisches Geschwätz

Traurig, aber wahr: Am 6. März jährt sich die erste Bundestagswahl, die Helmut Kohl gewonnen hat, zum zehnten Mal. Noch trauriger: Noch immer halten es Kabarettisten für brillante Satire, diesen Mann zu parodieren. Einer davon ist Mathias Richling, bekannt als schwäbelner TV-Dauerglotzer, der mit Vorliebe auf seinem Sessel herumzuckt. Im Rahmen des Kabarettfestivals Brandzeichen präsentiert er sein überarbeitetes Programm „Daß Fernseh' bled macht?“.

Das Bühnenbild deutet auf einen Abend hin, der durchaus hätte interessant werden können. Ein leicht zerschlissener Sessel, umrahmt von Müll, auf einem verrutschten Teppich, eine Farbglotze mit Zimmerantenne zeigen das Ambiente, in dem sich Fernsehjunkies offenbar wohlfühlen. Richling schlüpft schnell in eine zerschlissene hellbraune Strickjacke und Filzpantoffeln und schwäbelt munter drauflos.

Einen Spießbürger aus dem Land der Spätzle und Daimler möchte er karikieren, einen, so sein Anspruch, der seine Wirklichkeit ausschließlich via media bezieht, also seine Informationen nur dem Fernsehen entnimmt. Nun ist die Tatsache, daß sich jemand der schwäbischen Sprache bedient, für sich allein nicht komisch, wenn auch in diesen Breitengraden ungewöhnlich. Unkomisch ist es auch, wenn Richling versucht, einen Fernsehspießer zu karikieren und es ihm dabei an dem Mut zur Überspitzung fehlt. Bei seinem Versuch durch die politischen Themen dieser Tage zu hecheln — von „Amigo“ und Ausländerfeindlichkeit über Postleitzahlen und Pogrome bis hin zu Tierversuchen, nichts läßt er aus — beschränkt er sich allzusehr auf den „jawoll so isses“-Effekt, der bestenfalls bei den notorischen Schenkelklopfern im Publikum auf Begeisterung stößt. Es gibt unwahrscheinliche Wahrheiten zu goutieren, solche, die die notorisch Betroffenen noch betroffener machen, und die Zuschauer langweilen, die darauf gehofft haben, daß ihnen, wie bei annehmbarem Kabarett, das Lachen zumindest ab und an im Halse stecken bleiben möge. Etwa zum Thema Ausländerfeindlichkeit im vereinigten Deutschland: „Was brauchen wir Ausländer — sind wir uns nicht fremd genug.“ Ein besserer Toilettengraffity.

Bleibt einzig das Talent des Sesselzuckers, den Herrn Bundeskanzler zu parodieren, was anbetracht des Orginals obsolet erscheint und seine Intermezzi in Alltagssituationen, mit denen er sein Programm auflockert. Ein Brandzeichen hat Richling mit seinem Programm nicht gesetzt, bestenfalls ein kleines Licht in einer Lichterkette, die er zu Beginn seines Auftritts zu parodieren versucht hat. Kai Rehländer