In 45 Jahren wenig dazugelernt

■ Senatorinnen fordern, für fortschrittlichere Verfassung zu kämpfen / Postkarte nach Bonn schicken

zu kämpfen/Postkarte nach Bonn schicken

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2å Die Chancen, die Gleichberechtigung von Frauen im Grundgesetz stärker zu verankern, stehen schlecht. Wenig hoffnungsvoll äußerten sich am Dienstag die Hamburger Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit (SPD) und Frauensenatorin Traute Müller (SPD). Peschel-Gutzeit und Bürgermeister Henning Voscherau (SPD) vertreten Hamburg in der gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat (GVK), die die neue Verfassung für das neue Deutschland vorformulieren soll.

Artikel 3 des Grundgesetzes „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“, samt Absatz zwei „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ wollen die beiden Hamburgerinnen in eine staatliche Gleichstellungspflicht für Männer und Frauen geändert sehen. Dazu gehöre auch die vorübergehende Bevorzugung von Frauen zum Ausgleich bestehender Nachteile.

Mit der Änderung des Artikels 6, der Ehe und Familie schützen soll, müssen auch nichteheliche Lebensgemeinschaften und Alleinerziehende Schutz und Förderung in der neuen Verfassung bekommen, die Rechte der Kinder müssen stärker verankert werden.

Fortschrittlich aber hat sich die GVK bisher nicht gezeigt: Gekippt wurden Vorschläge, das kommunale Ausländerwahlrecht einzuführen und den Umweltschutz in die Verfassung aufzunehmen. Traute Müller zufolge schlechte Vorzeichen für eine „Parteilichkeit für Frauen in der neuen Verfassung“.

Peschel-Gutzeit: „Um Chancengleichheit der Geschlechter zu erreichen, muß der Staat verpflichtet werden, aktiv etwas zu tun. Die Verfassung beschreibt schließlich nicht nur das, was ist, sondern vor allem auch das, was gewollt ist.“

Frauen müssen für die Realisierung des Gleichheitsgrundsatzes genauso stark wie für eine Novellierung des Artikels 6 kämpfen, forderte Traute Müller. Der Familienbegriff gehöre erweitert, sonst bliebe die Gleichbehandlung ehelicher und nichtehelicher Kinder reine Makulatur.

Wie schon 1948 können Bürgerinnen und Bürger per Postkarte ihre Haltung zur neuen Verfassung vertreten. Diese sind zu richten: An das Sekretariat der gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat, 5300 Bonn. Die GVK wird am 25. März über die Vorschläge zur Novellierung der Artikel 3 und Artikel 6 entscheiden. Danach berät der Bundestag endgültig über die Verfassung des geeinten Deutschlands. Peschel-Gutzeit benannte ein Grundübel: „In der Kommission herrscht Ungleichheit. In der Kommission sind 52 Männer und nur zwölf Frauen“ — trotz 40 Jahren Gleichberechtigungsabsatz im Grundgesetz. Ist ja schon fast ein klitzekleiner Fortschritt: 1948 war es nur eine. Katrin Wienefeld