"Die gesunde Mischung muß stimmen"

■ Hamburger Disco-Betreiber rechtfertigen ihre Ausgrenzung ausländischer Jugendlicher / Diskussionsabend der DGB-Jugend

rechtfertigen ihre Ausgrenzung ausländischer Jugendlicher / Diskussionsabend der DGB-Jugend

Sein Auftritt im DGB–Haus am Besenbinderhof war filmreif. Praktisch als letzter stapfte Madhouse- Besitzer Kalle Offermann am Mittwoch abend samt seinem cowboybestiefelten Gefolge in den Saal, setzte sich in die erste Reihe und knallte eine prallgefüllte weiße Plastiktüte aufs Podium. Seine Gästekartei. Der Beweis, daß er nicht ausländerfeindlich sei.

Eine Reihe dahinter Frau Dehio, Betriebsleiterin des Posemuckel, umrahmt von zwei Türstehern, die — das hatte der NDR mit versteckter Kamera dokumentiert — Anfang Januar dem 19jährigen Cehad Isa den Einlaß in die Disco am Gänsemarkt verwehrt hatten. In ihrem Etablissement gebe es eine 30-Prozent-Quote für Ausländer, sagt Geschäftsfrau Dehio. Zur Kontrolle wurden 160 „Tor-Pässe“ verteilt.

Für Chehad Isa und seine Freunde, die am Mittwoch abend auch anwesend waren, ist die Situation frustrierend. Oft würden sie am Wochenende sieben oder acht Discotheken anfahren und nirgendwo reinkommen. Wenn dann am Freitag das Wilhelmsburger Jugendzentrum um 22 Uhr schließt, bleibt ihnen nur noch das Kartenspielen in irgendeinem Cafe.

Ausländische Jugendliche haben Schwierigkeiten, einem ganz normalen Bedürfnis nachzukommen: dem abendlichen Besuch einer Diskothek. Der Beweis wurde vielfach erbracht. Bereits vor zehn Jahren machten Rundfunkjournalisten den ersten Disco-Test, vor fünf Jahren die Hamburger Rundschau, vor zwei Jahren die taz und jetzt kürzlich der NDR und das Abendblatt. Doch erst seit kurzem kümmert sich auch das Amt für Jugend, drohen Bezirksämter den Disco-Betreibern mit Konzessionsentzug (Kasten).

Grund genug für Kalle Offermann, seine Disco eine Stunde später zu öffnen und sich der Debatte zu stellen. „Ich fühle mich als ausländerfeindlich diskriminiert“, klagt Türsteherin Tina. Es stimme ja nicht, daß im Madhouse keine Ausländer seien: „Wir weisen Deutsche und Ausländer ab“. Dabei könne es im Einzelfall den Falschen treffen. Tina: „Wenn ich ‘Tür mache', muß ich schnell entscheiden, ob der mir symphatisch ist.“

Kalle Offermann hat extra Mädchen für diesen Job engagiert, weil man einer hübschen Frau nicht so böse sei, wenn sie einen abweist. Das gehört zu seinem Konzept, genauso wie die „gesunde Mischung“, ohne die der Laden nicht leben könne: „Es muß selektiert werden. Wir lassen ja auch keine Schläger und Betrunkene herein.“

Die „Gegenseite“, überwiegend betroffene Jugendliche aus dem HdJ-Wilhelmsburg, kam wenig zu Wort. In einem Atemzug mit Schlägern und Betrunkenen erwähnt zu werden, fand keiner witzig. So stand denn auch der Satz der Türsteherin Tina, daß es einfach ein „Erfahrungswert ist, daß Ausländer mehr Randale machen“ etwas merkwürdig im Raum. Es fühlte sich keiner bemüßigt, diese kollektive Beschuldigung etlicher Nationalitäten zu entkräften. Allerdings räumte ein Posemuckel-Türsteher ein, daß es den Ärger oft am Eingang gebe, also gerade die

Ausgrenzung Aggression produziert.

Letztlich war der Abend ein Beleg dafür, daß Dialogbereitschaft nicht alles ist. Beide, Dehio wie Offermann, verneinten auf Nachfrage, ob sie nicht wegen der politischen Bedeutung versuchsweise auf die Selektion verzichten könnten. Offermann: „Das Risiko wär zu groß. Denn das wichtigste ist, daß das Geschäft gut geht.“ kaj