Standbild
: Volle Mannesblüte

■ "Vater braucht eine Frau"

„Vater braucht eine Frau“, Mi., 20.15 Uhr, Sat.1

Wenn ich das schon lese: „Stand“-bild; genausogut könnten sie diese Rubrik auch „Vorsicht – Schnee von vorgestern“ nennen. Wer will sich schon heute einen Bericht über den ersten von sechs Teilen einer Familienserie mit dem intelligenten Titel „Vater braucht eine Frau“, reinziehen, die vorgestern abend anlief?

„Wer braucht keine“, möchte man in jäh aufkeimender Verärgerung zurückblaffen. Sind schließlich die herrlichsten Geschöpfe im bekannten Universum. Doch der Grund für den Sechsreiher in Sat.1 erschließt sich zügig: Vater braucht nicht irgendeine, sondern eine „Perle“. Eine Haushälterin, Mutti, Erzieherin, Köchin, Psychologin, Putze und so weiter. Und sie muß was hermachen. Das bringt nicht jede. Die arme Evelyn Hamann scheidet deshalb gleich aus. Sie spielt zwar super, ist aber nicht schön genug. Denn Vati ist ein Spitzentyp. Gymnasialdirektor und so. Außerdem heißt er Einstein! Und ist in voller Mannesblüte. Vier tolle Kinder, ein klassetolles Haus und 'ne gigapfundige Oma zur Hand. Wie im richtigen Leben. Insgesamt treten neun Damen auf, bevor Papi endlich ja sagt. Das dauert seine Zeit. Mami ist damals übrigens nicht entnervt abgehauen, sondern ordentlich an Krebs gestorben.

Die SchauspielerInnen sind zum Teil spitze, besonders Evelyn Hamann und Ursela Monn. Aber es fehlt etwas. Einmal nimmt man sich selbst überhaupt nicht aufs Korn, ist viel zu ernst bei der doch ohnehin voll unglaubwürdigen Sache. Denn die Probleme, die ein Vater mit vier Gören zwangsläufig hat, präsentieren sich hier als Quasi-Idylle. Unter diesen Umständen wünscht man sich doch gleich Achtlinge. Die Dialoge besitzen überdies ungefähr soviel Witz wie „Motzki“ glühende Verehrer in Ostdeutschland. Alles ist zu ordentlich durcheinander, die Kinder viel zu anständig laut und ungezogen, der Freund des noblen Hauses gar zu edel, wahrhaftig und gut. Das plätschert langweilig und ohne Höhepunkte vor sich hin (6,31 Mio. Zuschauer).

In bizarrer Analogie zu der politisch schmerzhaften Erfahrung vieler, angesichts der aktuellen Lage schon fast zum Hüter des selben Rechtsstaates zu mutieren, den man weiland erbittert bekämpfte – sind so manche in Sachen TV-Serienwesen doch auch längst zu Verfechtern des kleineren Übels in Gestalt noch obskurster US-Serienhelden wie Magnum oder gar Al Bundy degeneriert. Immer noch besser als „Die Zwei“ Schweißsocken, „Lindenstraße“ oder Glubsch- Kommissar Derrick.

Als ich jüngst im Kreise enger Freunde schluchzend meine unsterbliche Liebe zur zarten Rose aus St. Olaf gestand, offenbarten sich mir die meisten Anwesenden völlig überraschend ebenfalls als harte „Golden Girls“- Junkies, bezichtigten sich selbst, Opfer des kulturellen US-Fastfoods geworden – und damit zufrieden zu sein. Nun, sind wir das nicht alle – irgendwie? Philippe André