Amato bleibt, Italiens Staatskrise auch

■ Parlament spricht Koalition Vertrauen aus/ Chef der oppositionellen Republikanischen Partei tritt wegen Finanzaffäre zurück

Die italienische Existenzkrise geht weiter: Während der sozialistische Regierungschef Giuliano Amato mit überraschend deutlicher Mehrheit von 310 zu 265 Stimmen sein Vertrauensvotum bestand, warf die Staatsanwaltschaft einen weiteren Hoffnungsträger für ein „sauberes“ Italien aus dem Rennen. Giorgio La Malfa, 54, Chef der industrienahen Republikanischen Partei, hat gestern nach Bekanntwerden eines Ermittlungsverfahrens der Mailänder Untersuchungsbehörden gegen ihn seinen Rücktritt erklärt.

Im Gegensatz zu den meisten anderen Parteiführern wird La Malfa weder Schmiergeldannahme noch Erpressung vorgeworfen, sondern lediglich ein Verstoß gegen das Parteienfinanzierungsgesetz. Er soll in der Jahresbilanz die kostenlose Herstellung von Wahlplakaten nicht aufgeführt haben. Doch er möchte auf keinen Fall hinter seinem längst zur Legende gewordenen Vater Ugo zurückstehen: der hatte vor 20 Jahren in gleicher Position die volle Verantwortung übernommen, als einige seiner Mitarbeiter Schmiergelder der Erdölindustrie eingestrichen hatten.

Nach dem Rücktritt La Malfas fällt jener Parteiführer aus, den viele Kommentatoren für den geeignetsten Leiter einer Erneuerungsregierung gehalten hatten. 1987 war er zwar lediglich wegen seines bekannten Namens zum Chef der Partei aufgestiegen. Doch danach hatte er die Mitwirkung an der Regierung wegen deren „fragwürdiger Moral“ aufgekündigt und seine Partei trotz ihrer nur knapp fünf Prozent Wählerstimmen immer mehr zur intellektuellen Opposition des gesamten Parteiensystems gemacht. Vom ehemaligen Chefankläger im Mafia- Prozeß, Giuseppe Ayala, über den Filmregisseur Federico Fellini bis zur Nobelpreisträgerin Rita Levi- Montalcini bekam er Unterstützung, vor allem seit er die enge Verbindung zum Fiat-Konzern gelöst hatte.

La Malfa widersetzte sich dem Drängen vieler Parteifreunde, in die vor sich hinwerkelnde Regierungskoalition einzutreten. Er sah die Sanierung nur in einem Kabinett gewährleistet, in dem kein einziger Vertreter der alten Partitokratie mehr sitzt; als Minister wünschte er ausgewiesene Fachleute des jeweiligen Gebietes.

Für Giuliano Amato und seine aus Christ- und Sozialdemokraten, Sozialisten und Liberalen bestehende Koalition ist damit zwar ein lästiger Publikumsliebling weg vom Fenster. Besser wird die Lage der Regierung trotzdem nicht: zu massiv treten, trotz des verbalen Vertrauens der Koalitionspartner, die internen Gegensätze zutage. Bei der Regierungsumbildung Ende voriger Woche tanzten ihm seine Ressortchefs regelrecht auf der Nase herum: Erziehungsministerin Russo Jervolino, die Amato als stellvertretende Ministerpräsidentin wollte, um die störrischen Christdemokraten besser einzubinden, weigerte sich, in dieses Amt zu wechseln. Industrieminister Giuseppe Guarino, einer der markantesten Gegner der Privatisierung staatlicher Betriebe – Herzstück der Reformpolitik Amatos – blieb trotz harscher Bedrängnis durch den Regierungschef eisern auf seinem Posten. Amato blieb nichts anderes übrig, als den störrischen Minister zu lassen und ein neues Ressort für Privatisierungen einzurichten. Werner Raith