Eishockeyfans auf Wolke sieben

■ "Preußens Gloria", Fanclub des BSC Preußen Berlin, engagiert sich sozial und pflegt das Image des Sports / "Eishockeyfans sind friedlicher als Fußballfans"

Berlin. Im Moment ist für Axel Otto jeder Tag ein Feiertag. Axel Otto, den alle nur Otti rufen, bezeichnet sich selbst als den größten Fan des Eishockeyvereins BSC Preußen Berlin, und weil der gerade einen Sieg nach dem anderen feiert, schwebt Otti auf Wolke sieben. Zweimal bereits ist der Ligakonkurrent aus Krefeld bezwungen worden, wenn die Berliner noch ein drittes Mal gewinnen, haben sie das Halbfinale der deutschen Meisterschaft erreicht. Otti, 29, träumt bereits von weiteren Heldentaten: „Wenn wir so weiterspielen, werden wir Meister.“

Otti und andere Fans haben ihre Preußen-Leidenschaft organisiert, in einem Fanclub, der seit 1988 besteht und sich „Preußens Gloria“ nennt. 120 Mitglieder zählt der, das jüngste ist gerade ein Jahr alt, das älteste 72. Alle Schichten der Bevölkerung sind vertreten, sagt Otti, Frauen und Männer, Berliner und Nichtberliner: „Wir grenzen keinen aus.“ Sogar einige Fans der Kölner EC haben sich Preußens Gloria angeschlossen.

Der Eishockeywahn geht enorm ins Geld. Allein für Souvenirs gibt Otti, im Hauptberuf Pächter der Weddinger Kneipe „Penalty“, monatlich 300 Mark aus: Wimpel, Trikots, Schals, mit denen er die Wände seiner Gaststätte schmückt. Die Fahrerei ist auch teuer: Daß er bei jedem Heimspiel dabei ist, ist klar, aber auch zu jedem erreichbaren Auswärtsmatch reist Otti dem Preußenteam hinterher, manchmal begleitet er auch die deutsche Nationalmannschaft. Für Sprit, Eintritt und Hotel gehen da schnell noch mal zweihundert Mark drauf. Aber es lohnt sich, sagt er. Beim ersten Playoff-Spiel in Krefeld, das die Preußen mit 4:3 gewonnen haben, hat Otti „fast einen Herzanfall gekriegt vor Aufregung, soviel Spannung haste sonst nirgendwo.“ Als die Berliner schließlich gesiegt hatten, sind die Krefelder Fans in die Preußen- Ecke gekommen und haben „absolut fair, absolut anständig“ gratuliert.

Typisch sei das für den Umgangston der Eishockeyfans untereinander, sagt Otti, „das ist viel friedlicher als beim Fußball“. Während des Spiels wird das gegnerische Team natürlich lautstark beschimpft, aber danach ist alles vergessen. „Die Fans sitzen manchmal noch stundenlang bei mir in der Kneipe und unterhalten sich.“ Warum der Pöbel sich in den Fußballstadien versammelt, die Eishockeystadien aber mit seiner Anwesenheit verschont, kann sich Otto nur dadurch erklären, „daß bei uns schon eine andere Schicht in der Halle ist“. Zwanzig Mark kostet die billigste Eintrittskarte für ein Bundesliga-Eishockeyspiel, „das können sich die primitiven Schläger doch gar nicht leisten“.

Negative Ausnahme seien einige Anhänger des Ostberliner Stadtrivalen EHC Eisbären, der derzeit in der Abstiegsrunde um den Klassenerhalt streitet. Aus dem Stasi-Verein Dynamo Berlin sind die Eisbären hervorgegangen, und einige Fans, sagt Otti, „wollen aus dem Sport noch immer eine politische Geschichte machen“. „Ost-Ost-Ost-Berlin“ skandieren sie bei den Spielen, oder „FDJ“, und auch sonst seien finstere Gesellen darunter, weshalb Otti die Spielstätte der Eisbären in Hohenschönhausen meidet: „Da hätte ich Angst.“

Die Mitglieder von „Peußens Gloria“ dagegen engagieren sich im sozialen Bereich. Vor ein paar Jahren hat Otti das Pankower Kinderheim „Siloah“ besucht, in dem lern- und geistig behinderte Kinder und Erwachsene untergebracht sind. Weil die Mitglieder des Fanclubs in der Regel „ganz gut betucht sind, zumindest keine Geldsorgen haben“, wurde gesammelt. Es ergab sich eine Patenschaft; seitdem richten die Eishockeyfans die Weihnachtsfeier des Heims aus und nehmen hin und wieder Bewohner zu den Spielen mit. Im vergangenen Jahr haben sie, mit Unterstützung einiger Spieler, mehr als 15.000 Mark gesammelt und davon eine Schaukel und ein Klettergerüst für den Spielplatz gekauft. „Wahnsinnig gefreut“ hätten sich die Kinder, sagt Otti, der „so was auch in Zukunft machen will, damit auch die Heimbewohner was von den Preußenfans haben“. Und damit auch für sie mancher Tag wie ein Feiertag ist. Holger Gertz