■ Kommentar
: Wege zur Politik

Der Streit um das Olympia-Video wird die Grünen beschädigt zurücklassen, das ist bereits jetzt klar. Längst geht es nicht mehr um den Streifen; das Band ist beim Bündnis 90 inzwischen zur Chiffre für unvereinbare Wege zur Politik geworden. Es geht nicht nur darum, daß sich die Grünen lächerlich gemacht haben. Schließlich hat die Partei vor drei Monaten gegen die Eierwürfe vor dem Lustgarten lautstark protestiert – um nun Szenen als satirisch zu verteidigen, bei denen klar ist, daß andere die darin enthaltene Drohung bitter ernst meinen. Im Kern aber geht es darum, ob der Zweck die Mittel heiligen darf. Es kann den Grünen nicht egal sein, wie sie ihre politischen Ziele erreichen. Stilles Kokettieren mit der Gewalt, wenn es erfolgversprechend scheint, ist unerträglich.

Olympia wäre aus vielen Gründen ein Unglück für Berlin. Dennoch muß eine politische Bewegung auch gewahr sein, beim Streit darum zu unterliegen – und sich damit abzufinden. Eine falsche Logik steckt deshalb auch hinter der Behauptung, erst die im Video enthaltene Drohung schaffe es, die Jubel-Olympioniken aus dem Senat außer Tritt zu bringen. Das bedeutet nur, daß gewaltfreie phantasievolle Aktionen und Demonstrationen bisher nicht überzeugend genug waren, nicht aber, daß sie untaugliche Mittel sind. Beim Projekt Bündnis 90/ Grüne geht es deshalb um die gemeinsame Zukunft. Die aus dem Amt geschiedene Fraktionsvorsitzende Renate Kühnast hat die Partei erst kürzlich gemahnt, sie müsse endlich beginnen, Politikkonzepte für die Stadt zu entwickeln und nicht nur punktuelle Kritik zu üben. Nur wenn das gelingt, sind die Grünen auch ein politischer Faktor für neue Mehrheiten. Wer für neue Koalitionen in der Stadt streitet, muß eine berechenbare Größe sein, nicht ein Gebilde, bei dem Grundsätze nicht je nach Gelegenheit zum Muster ohne Wert werden. Derzeit, das beweist die Video- Affäre, ist die Partei davon weit entfernt. Gerd Nowakowski