■ Englands Staatskirche nach dem „Sieg der Vernunft“
: Fliegende anglikanische Bischöfe

London (taz) – Eigentlich hat Father John Broadhurst seine Koffer schon lange gepackt. Wie er damit so verbittert in der Tür steht, erinnert er ein wenig an einen keifenden Partner nach einem Ehestreit – in der Hoffnung, nur laut genug mit dem Abschied drohen zu müssen, um letztlich doch davon abgehalten zu werden.

Der Reverend der kleinen Londoner Kirchengemeinde fühlt sich verraten – verraten von seiner Kirche, der Church of England, die am 11. November vergangenen Jahres ihre wohl bedeutendste Entscheidung nach der Abspaltung vom Vatikan im Jahre 1534 fällte: Mit der hauchdünnen Mehrheit von nur zwei Stimmen hatten 553 Bischöfe, Priester und LaiInnen der Anglikanischen Generalsynode sich nach zähem Kampf für die klerikale Gleichstellung von Frau und Mann in der englischen Staatskirche entschieden. Mit ihrem Votum ermöglichen die AnglikanerInnen fortan, was ihre Brüder und Schwestern in Ländern wie Kanada und Irland schon längst durchgesetzt haben: Die Ordination von Frauen, also ihren Zugang zum Priesteramt. Derzeit dürfen sie ihrer Kirche allenfalls als Diakone dienen, was ihnen hohe kirchliche Handlungen wie die Erteilung des Abendmahls oder des Segens untersagt.

Was die Mehrheit als „Sieg der Vernunft“ bejubelte, dafür haben die TraditionalistInnen nur ein Wort übrig: „Ketzerei“! Entschlossen, ihrer Kirche notfalls den Rücken zuzukehren, drohen sie seither unaufhörlich mit dem „ernsthaften Blutsturz“, den ein Erzdiakon apokalyptisch prophezeit hat. Niemals, beschwören sie, war der Abgrund zwischen ihnen und den ReformerInnen so tief wie heute. Die jedoch sehen das anders. „Der Riß ist nicht so tief, wie viele behaupten“, erklärt Right Reverend John Taylor, Bischof von St. Albans, überzeugt davon, die Mehrheit stehe hinter dem Votum. „Bei den Gegnern handelt es sich um Kirchenmänner, die schon immer ihren Blick auf Rom gerichtet haben oder aber grundsätzlich gegen jede Veränderung sind.“ Doch er gibt zu: „Zusammen haben sie eine starke Stimme.“

Mit dem Schlachtruf „Forward in Faith“ (Vorwärts im Glauben) hat Father John Broadhurst sie alle hinter sich vereint. Seine Stimme ist sogar so stark, daß sie ausreichte, um vergangene Woche eine Versammlung der Generalsynode zu spalten. Rund 100 TraditionalistInnen verließen den Saal, um einer flammenden Rede ihres Rädelsführers zu lauschen, der dem jüngsten Friedensangebot des Bischofshauses eine Absage erteilte. Die hatten die Schmollenden mit einer seltsam klingenden Idee versöhnen wollen: „Fliegende Bischöfe“. Drei Bischöfe aus den Reihen der Priesterinnen-Gegner, so der Kompromißvorschlag, sollten sich fortan in fliegendem Wechsel um jene Schäfchen aller Gemeinden kümmern, die ihren Bischof aufgrund seiner frauenfreundlichen Haltung nicht mehr akzeptieren können.

Doch von Kollegen mit Flügeln wollen die „Forward in Faith“- Leute nichts wissen. „Unsere Kirche braucht richtige Bischöfe, die keine Frauen ordinieren und sie auch nicht als Priesterinnen anerkennen“, wetterte Broadhurst von der Kanzel und erzürnte damit die Frauen, die sich in der Bewegung „Für die Ordination von Frauen“ (MOW) stark machen. „Broadhurst weiß nicht, was er und seinesgleichen mit diesen unüberlegten Sprüchen anrichten“, meint MOW-Sprecherin Caroline Davis, „sowohl für sich als auch seine Kirche. Viele ChristInnen schreckt sowas doch nur ab. „Angriffe wie diese bestätigen nur die weitere Notwendigkeit von MOW. „Unser Ziel haben wir zwar erreicht, und daran ist nicht zu rütteln“, so Davis, „doch jetzt brauchen die Frauen Unterstützung, denen Leute wie Broadhurst die Priesterinnenweihe verweigern wollen.“

Waren sie vor dem Votum bereits im Amt, haben sie dazu nämlich durchaus das Recht. Erst wer sein Kirchenamt antritt, nachdem Queen und Parlament im nächsten Jahr die Reform absegnen und damit die erste Weihe möglich machen, muß sie vollends anerkennen. Wer es nicht tut, dem bleibt nur noch der Austritt, für viele gleichbedeutend mit dem Weg nach Rom.

„Etliche hundert“ werden es wohl sein, schätzt Right Reverend Taylor und kommentiert: „Die Hühner des Papstes kommen heim in den Stall.“ Paradoxerweise ist es gerade der Papst, dem Taylor ein großes Stück Mitverantwortung für den Ausgang der Wahl zuschreibt: „Wäre die römisch-katholische Kirche in der Vergangenheit nur etwas konversationsfreudiger gewesen, hätten viele vielleicht anders gewählt“, meint er. Für Taylor und seine Kollegen gilt es nun, die Scherben des Streits zusammenzukehren, um eine gesunde Grundlage für die Zukunft zu schaffen. Die wird die Church of England, die derzeit gerade drei Prozent der Bevölkerung in ihre Kirchen lockt, nötig haben, denn die nächste Krise ist bereits in Sicht: In anderen Anglikanischen Staatskirchen hat es im Schnitt zehn Jahre gedauert, bis die erste Priesterin auch den Bischofssitz bestieg... Antje Passenheim