Der Papst bleibt Pole

Leverkusen verpaßt trotz Siegs das Viertelfinale im Basketball-Europapokal  ■ Aus Leverkusen Thomas Lötz

Gegen halb zehn war das letzte Vorrundenspiel der Europaliga für die Basketballer von Bayer Leverkusen vorbei. Mit 92:80 hatten sie Estudiantes Madrid in wirklich beeindruckender Manier abgefertigt, hatten ihrerseits alles getan, um als erstes deutsches Team die Runde der letzten acht in diesem Wettbewerb zu erreichen. Allerdings wußten sie bereits vor dieser Begegnung, daß ihr Weiterkommen von einem Ereignis abhängig war, das in Frankreich stattfand.

Dort traf die Mannschaft von Vrai-Pau Orthez auf das italienische Team des kroatischen Superstars Toni Kukoc, auf Benetton Treviso, das bereits für die Endrunde qualifiziert war. Orthez als letztverbliebener Rivale im Kampf um Platz vier, um das Weiterkommen also, mußte unbedingt verlieren. Bei einem Sieg der Franzosen hätte selbst die dann hergestellte Punktgleichheit nichts genutzt, da die Addition der direkten Vergleiche knapp für Orthez sprach. Weil das Spiel in Frankreich jedoch eine halbe Stunde später begonnen hatte, mußte im Presseraum der Leverkusener Wilhelm-Dopatka- Halle erst einmal gewartet werden.

Ab 21.40 Uhr wurde das Warten zunächst mit einer kurzen Pressekonferenz aufgefüllt, in der Bayer- Trainer Dirk Bauermann einen folgenschweren Ausspruch tat: „Da der Papst ja sozusagen Italiener ist“, hoffe er, daß die Italiener aus Treviso die richtige Weisung erhalten hätten, daß sie also gefälligst in Orthez zu gewinnen hätten. Kopfschütteln im Auditorium: Der Mann aus dem Vatikan ist kein deutschfraternisierender Italiener, sondern Herr Karol Woytila ist immer noch Pole, schon seit seiner Geburt. Und die Deutschen und die Polen, das sei ja auch nicht immer gut gegangen. Da versuchte Bauermann noch schnell alles wieder glattzubügeln: Der Papst sei natürlich Pole, schließlich wolle er ja auch dessen Landsmann, seinen Co-Trainer Zbigniew „Speedy“ Anton, nicht kränken. Es war aber schon zu spät. Der Satz war gefallen, er stand im Raum, und Manager Otto Reintjes fragte ins Gebrabbel hinein, ob irgend jemand noch Fragen habe, wo doch alle nur das Ergebnis aus Orthez interessierte. Fazit: „Wenn Sie nichts dagegen haben, beschließe ich jetzt die Pressekonferenz, und dann schweigen wir gemeinsam.“

Im anschließenden Gemurmel der Menge genehmigten sich die Bayer-Spieler Deuster und Meyer im hinteren Teil des Raumes bereits ein Glas Kölsch, während Dirk Bauermann am anderen Ende im Gespräch mit einigen Journalisten tapfer weiter Elektrolytgetränke runterspülte. Man unterhielt sich bereits über das möglicherweise anstehende Viertelfinalspiel und daß man dann eventuell in die größere Kölner Sporthalle umzuziehen gedenke, daß der verletzte Center Christian Welp dann mit großer Wahrscheinlichkeit nicht dabeisein könne, Krethi und Plethi, Hölzchen und Stöckchen, Frau Schmitz und Herrn Müller.

Bauermann wechselte scheinbar seelenruhig von Zitronen- zu Orangenelektrolytgeschmack, goß sich merkwürdig beiläufig ein Glas voll, und als niemand mehr an ihm interessiert schien, verließ er eilig den Raum, noch bevor ihm irgend jemand folgen konnte. Bauermann war weg, aber der Manager war ja noch da. Otto Reintjes im Gespräch, Otto Reintjes holt sich ein Kölsch, Otto Reintjes beantwortet eine Frage, Otto Reintjes tippelt mit dem rechten Fuß, Otto Reintjes tippelt mit dem linken Fuß, Hände in die Hosentaschen, Händer wieder raus, ein paar Schritt nach vorne, ein paar zurück.

Als der Bote vom Telefon endlich kommt, ist es 22.07 Uhr. Tuscheln: „Wir haben Verbindung nach Orthez, aber da versteht keiner Englisch, und hier spricht keiner Französisch.“ Otto Reintjes in Richtung Telefon. Niemand, der im Presseraum Zurückgebliebenen weiß, wie gut das Französisch des Schwaben Reintjes ist.

22.13 Uhr. Aus dem Gang, der von der Halle zum Presseraum führt, erscheinen deprimierte Journalistengesichter. Alles aus. Treviso ist mit unglaublichen 55:82 Punkten in Orthez untergegangen. Später meint irgendein Dahergelaufener, das Ergebnis auf eine Differenz von 17 Punkten offiziell herunterkorrigieren zu müssen. Leverkusens Henning Harnisch schüttelt nur kurz unverständig mit dem Kopf, sagt dann leise: „Okay.“ Genau so, als wolle er sich beim Papst, der eben doch Pole ist, für seinen Trainer entschuldigen. Was er indes über den Vatikan und das darumliegende Italien und insbesondere über Treviso und Toni Kukoc, der gegen Pau-Orthez nicht mitgespielt hatte, dachte, darüber schwieg Henning Harnisch sich eisern aus.

14. und letzter Spieltag, Gruppe B: Leverkusen - Estudiantes Madrid 92:80, Mechelen - Piräus 66:85, Pau-Orthez - Treviso 82:55, Real Madrid - Zadar 105:76; Endstand: 1. Real Madrid 1181:1031/26, 2. Treviso 1127:1073/24, 3. Piräus 1057:1023/22, 4. Pau-Orthez 1113:1100/22, 5. Leverkusen 1099:1105/22, 6. Zadar 1096:1198/19, 7. Estudiantes Madrid 1132:1131/18, 8. Mechelen 1092:1236/15

12. und letzter Spieltag, Gruppe A: Tel Aviv - Limoges 70:69, Badalone - Bologna 81:73, Saloniki - Zagreb 81:67; Endstand: 1. Saloniki 879:839/20, 2. Limoges 816:757/19, 3. Pesaro 887:877/19, 4. Bologna 938:893/18, 5. Badalone 945:946/18, 6. Zagreb 909:976/17, 7. Tel Aviv 934:1020/15