■ Zum Totalstopp bei ABM-Projekten
: Irrsinn mit Methode

Wer nach den finanzpolitischen Beschlüssen der vergangenen Wochen glaubte, die Narretei der Bonner Finanz- und Arbeitsmarktpolitik ließe sich kaum noch steigern, den belehrt der jüngste Erlaß aus der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit eines Besseren: Man kann den Irrsinn zum Programm erheben. Für die milliardenschwere Plünderung der Arbeitslosenkasse durch die Bonner Regierung sollen jetzt diejenigen aufkommen, die die Kassen in besseren Zeiten zu ihrer eigenen Vorsorge mit ihrem eigenen Geld gefüllt haben – zum Beispiel die Langzeitarbeitslosen. Die Schwächsten der Gesellschaft werden erneut zur Kasse gebeten, weil die Kohl-Regierung ihr finanzpolitisches Vereinigungsdesaster durch den schamlosen Griff in die Kassen der Nürnberger Anstalt zu verschleiern suchte.

Seit Jahren schon nimmt der zuständige Minister Norbert Blüm, praktizierender Christenmensch und IG-Metall-Mitglied, bekannt für sein lockeres Mundwerk bei nichtigen Anlässen, dieses regierungsamtliche Banditentum kleinlaut hin. Auch die marktradikalen freidemokratischen Couponschneider, die immer dann, wenn es ihrer Klientel an den Kragen gehen soll, ein großes ordnungspolitisches Geschrei entfachen, haben den gegen alle ordnungspolitischen Regeln der Marktwirtschaft verstoßenen Raub aus der Nürnberger Kasse immer mit beredtem Schweigen begleitet. Ginge es nach dem marktwirtschaftlichen Lehrbuch, dann müßte der Aufbau Ost aus Steuern, nicht aus Versicherungsgeldern finanziert werden. Ginge es gerecht zu, hätte man bei Selbständigen und Beamten längst eine Arbeitsmarktabgabe erhoben.

Doch nichts dergleichen geschieht. Statt dessen dürfen in diesem Jahr die katholischen Brüder des Norbert Blüm in Bochum ihre erfolgreiche Berufsvorbereitung für schwer vermittelbare Jugendliche nicht mehr fortführen, muß die Stabilisierung und Reaktivierung von Langzeitarbeitslosen in zahlreichen Projekten eingestellt werden. In einer Zeit, in der die gesellschaftlichen Desintegrationsprozesse in atemberaubender Geschwindigkeit voranschreiten, wird ausgerechnet jenen Projekten der Garaus gemacht, die sich diesem Trend mit hohem persönlichem Engagement der Mitarbeiter entgegenstemmen. Ein sozialpolitischer Irrsinn ohne Beispiel.

Wenn schon die verheerenden sozialen und psychologischen Folgen der völlig verfehlten Sparpolitik die mit „Amigo“-Affären schwer beschäftigte politische Klasse kaum mehr erreichen, dann hilft vielleicht ein Blick auf die Kosten dieser Politik. Rein finanziell läuft der Crash bei den ABM-Stellen fast auf ein Nullsummenspiel hinaus. Das Geld für die neuen Arbeitslosen fließt nur aus einem anderen Nürnberger Topf. Die sozialpolitische Bilanz sieht indes bei den betroffenen Menschen ganz anders aus. Nicht wenige werden durch die verhängnisvolle Politik endgültig in die Resignation getrieben. Lebenschancen gehen verloren, weitere Menschen zerbrechen. Ihr persönliches „Pech“: Sie gehören eben nicht zu den „Amigos“. Walter Jakobs