Giftmüll: Leipziger Allerlei

■ Nach langwierigen Ermittlungen entdeckt die Leipziger Staatsanwaltschaft Giftmüll in einer russischen Kaserne. Seltsam: Einige Fässer stammen von der Bundeswehr

Leipzig (AP/AFP) – Der erste anonyme Hinweis ging schon vor zwei Wochen beim Umweltbundesamt Leipzig ein. Am Donnerstag der letzten Woche wurde die Staatsanwaltschaft schließlich fündig. Weit brauchte sie nicht zu suchen, der Tatort gehörte einst der befreundeten sozialistischen Schutzmacht. Die Ermittlungsbeamten entdeckten im ehemaligen Werk „Motor“ der abgezogenen GUS-Streitkräfte ein Lager mit 2.000 Giftfässern und -ballons. Welche Substanzen darin aufbewahrt sind, blieb längere Zeit unbekannt.

Jetzt weiß man mehr. Nach einer weiteren Woche informierte der Leiter des Umweltamtes Leipzig, Christian Aegerter, die Öffentlichkeit darüber, daß es sich beim ominösen Fund um Behältnisse mit Farben, Lacken, Verdünner, Wachsen und Altölen handele.

Außerdem enthielten einige Fässer Chemikalien russischer Herkunft; viele davon seien nicht etikettiert, einige trügen Aufschriften ehemaliger DDR-Betriebe.

„Zwar sind einige Fässer leck, aber eine Verseuchung des Grundwassers ist zunächst nicht zu befürchten“, sagte Aegerter am Freitag vor Journalisten. Der Boden der Halle bestehe aus Beton, so daß die ausgelaufenen Substanzen nicht ins Grundwasser gelangen könnten. Vielleicht aber doch: Die Halle wurde inzwischen zusätzlich mit Betonsteinen abgesichert und gesperrt.

Nachdem die Staatsanwaltschaft bis gestern kein Licht ins Dunkel der Affäre bringen konnte, sprechen jetzt erste Ergebnisse für eine Verwicklung verschiedener Unternehmen in den Fall. So ermittelt die sächsische Generalstaatsanwaltschaft gegen die deutsch-russische Grundstücksgesellschaft „Haniva“ mit Sitz in München. Eine Leipziger Entsorgungsfirma soll ebenfalls in den Skandal verstrickt sein. Sie hatte einige Hallen des früheren Kasernengeländes angemietet, um mit der illegalen Lagerung der Chemikalien Geschäfte zu machen. Zwar habe die Firma das Geld für die Entsorgung erhalten, so lautet der Verdacht, den Sondermüll aber nicht beseitigt.

Die Firma aus München, gegen die die Staatsanwaltschaft ermittelt, vermarktet das Gelände der GUS-Streitkräfte im Leipziger Norden und ist nicht bereit, das Land an das Bundesvermögensamt zu übergeben. Inwieweit „Haniva“ in den Fall verwickelt ist, sei noch nicht abzuschätzen, meint Christian Aegerter. Gestern stellte sich als gesichert heraus, daß einige der Abfallfässer von der Bundeswehr stammten. Vor der Wiedervereinigung dürften sie wohl kaum in die sowjetische Militärbasis gelangt sein. mv