Autonomie: Gefahr oder große Chance?

■ GEW debattiert heute Papier zur Schul-Autonomie / GAL lud vorab Experten zur Diskussion / Erschreckendes aus Dänemark

/ GAL lud vorab Experten zur Diskussion / Erschreckendes aus Dänemark

Mehr Selbstverwaltung für Hamburgs Schulen? Die GEW wird sich auf ihrer heutigen Landesdeligiertenversammlung mit dem sogenannten Autonomie-Konzept einer Gruppe von Oberschulräten und Schulleitern befassen, das den Schulen mehr pädagogische Freiheit und eine stärkere finanzielle Eigenverantwortung zumutet. Der Ausgang der Diskussion ist ungewiß, denn in Lehrerkreisen wird über die Vorschläge heftig gestritten. Nur eine „Dezentralisierung der Mängelverwaltung“ kritisieren die Gegner des Plans; „Chance für einen pädagogischen Neubeginn“, sagen seine Befürworter.

Der Ausgang der Gewerkschafts- Debatte dürfte eine Vorentscheidung darüber bedeuten, ob den umstrittenen Vorschlägen in Hamburg der Durchbruch gelingt. Denn gegen den erklärten Willen des rund 6000 Mitglieder starken Landesverbandes der GEW wird die Schulbehörde kaum einen entsprechenden Schulversuch starten.

Im Vorfeld der Gewerkschaftssitzung hatte die GAL am Freitag Mette Beyer-Paulsen vom dänischen Kultusministerium und Professor Frank Rüdiger Jach aus Bremen eingeladen, um Fachkundiges über die Autonomie-Diskussion anderenorts zu erfahren. Denn die Bestrebungen, Schulen mehr Eigenverantwortung zu übertragen, gilt andernorts schon länger. Für Frank R. Jach, der die Schulvielfalt in der EG erforscht, ist es eine deutsche Spezialität, daß das Schulwesen so fest in staatlicher Hand ist.

Jach, ein glühender Verfechter von Autonomie-Bestrebungen distanzierte sich allerdings vom Hamburger Papier: „Die pädagogische Komponente kommt dort viel zu kurz“. Die wirtschaftliche Verantwortung nach unten abzugeben, die Öffnung der Schulen zum Dienstleistungsunternehmen am Markt zu propagieren, seien „ganz, ganz gefährliche Tendenzen“. Jach: „Bildung darf nicht zur Ware werden.“

Die Schulbehörde sei ganz unglücklich mit dem Papier, würde es am liebsten zurückziehen, wußte Diskussionsleiter Rolf Deutschmann zu berichten. Mittlerweile gibt es ein neues Papier von Oberschulrat Hermann Schwarz, der die Diskussion neu strukturiert, indem er die pädagogische Autonomie an erster und die finanzielle Autonomie an letzter Stelle nennt.

Daß die Befürchtungen der Kritiker nicht aus der Luft gegriffen sind, zeigen die jüngsten Entwicklungen in Dänemark. Der dortige Bildungsminister setzte gegen den Willen der Lehrerschaft ein Gesetz durch, daß den Schulen auch ökonomische Selbstverantwortung überträgt. Eine Konsequenz: Ab dem 1. April müssen Schulleiter sogar mit ihren Lehrern individuell über Löhne verhandeln. Die Besseren kriegen mehr. Ein Modell, das mancher am Rande der Diskussion hinter vorgehaltener Hand als ganz reizvoll bezeichnete.

Unentschieden blieb am Freitag die Frage, ob denn mehr Autonomie den Widerstand gegen Rotstiftpolitik im Schulwesen schwächt. Die Mehrheit der Anwesenden, das wurde deutlich, sieht in dem Behörden-Papier aber eher eine große Chance als eine Gefahr. K.Kutter