LKW-Ruß besonders krebsgefährdend

■ Gespräch mit einem Mitorganisator der Bremer Fachtagung "Gesundheit und Verkehr"

LKW-Ruß besonders krebsgefährdend

Gespräch mit einem Mitorganisator der Bremer Fachtagung „Gesundheit und Verkehr“

Johannes Spatz ist in der Gesundheitsbehörde für Gesundheitsberichterstattung zuständig.

taz: Was haben Sie mit dieser Veranstaltung „Verkehrsbedingte Schadstoffe“ zu tun?

Johannes Spatz: Ein wichtiges Problem für Gesundheitsprävention ist der Straßenverkehr. Es ist ganz sicher, daß der Straßenverkehr eine enorme Gesundheitsgefährdung darstellt - eine Gefahr, die man vermeiden kann. Wir haben uns deshalb mit einem Bericht des BIPS einen Überblick verschafft über die Morbidität und Mortalität. Jetzt wollen wir Detailprobleme anpacken.

Götz Wiegand (Gesellschaft für Informatik, Verkehrs-und Umweltplanung, Berlin) hat eine Untersuchung aus Berlin vorgestellt, aus der klar hervorging, daß Menschen in Straßenschluchten, also die eigentlichen Stadtbewohner, besonders gefährdet sind. Welchem Risiko sind sie ausgesetzt?

Wenn man besonders belastete Straßen in Berlin nimmt, wie z.B. die Brückenstraße, dann ist das eine 30fache Risikobelastung im Vergleich zu ländlichen Bereichen. Dies ist eine dermaßen große Ungleichheit, daß dringend Handlungsbedarf angesagt ist.

Viele Studien über die hier gesprochen wird, entstanden in Hamburg und Berlin. Bremen hat eine in Planung. Haben die Stadtstaaten hier eine besondere Chance, modellhaft Forschung voranzutreiben?

Es gibt bundesweit sehr unter

80% des Krebsrisikos aus der Luft stammen aus AuspuffrohrenFoto: Tristan Vankann

schiedliche Ansätze, an dieses Problem heranzugehen. Zum Beispiel wurden in Borgfeld und Köln das Blut von Kindern untersucht. Dabei stellte sich heraus, daß die Benzolbelastung im Blut von Kindern, die an verkehrsreichen Straßen leben, wesentlich höher ist, als auf dem flachen Land. Die Untersuchungen in Berlin haben gezeigt, daß bei Kindern auch die Allergierate an verkehrsreichen Straßen wesentlich höher ist als anderswo.

Es geht im wesentlichen um die durchschnittliche Jahresmittelbelastung an Lärm und Schadstoffen. Die kann man kalkulieren. Demnächst wird sie auch hier in Bremen, in der Vahr und in der Neustadt, kalkuliert. Von dieser Belastung aus kann man das Risiko bestimmen. Und wir wollen Argumente sammeln: für Gesundheit, die wir einbringen in die Verkehrsplanung, in die Stadtentwicklung — um gegen diese Gesundheitsgefährdung etwas zu unternehmen.

Andreas Kappos (Gesundheits-und Sozialbehörde, Hamburg) hat referiert, daß für Lungenkarzinome nur zu einem Prozent Schadstoffe in der Luft als Verursacher ausgemacht wurden — zu über 70 % aber das Rauchen und zu vielleicht 17% andere Ursachen. Ist dieses eine

Prozent zu vernachlässigen oder eine Aufforderung zum Handeln?

Wenn man die tatsächlichen Zahlen, die man nicht so genau erfassen kann, nimmt und mit anderen Zahlen, die für uns sehr wichtig sind, vergleicht, dann sind es wichtige Zahlen: verglichen mit Säuglingssterblichkeit, Drogentod oder Kindern, die durch Verkehrsunfälle sterben, sind diese Zahlen in bezug auf Krebstod infolge von KFZ-Schadstoffen sehr wichtig. Im übrigen gibt es da einen Experten-Streit: Das Umweltbundesamt sagt z.B., daß Außenluftschadstoffe etwa ein Risiko von 5 bis 10 Prozent von allen Lungenkarzinomen ausmachen. Das sind wesentlich höhere Zahlen als die hier genannten. Der Länderausschuß für Immissionsschutz geht von 2 Prozent, eine amerikanische Studie von 1 bis 5 Prozent aus.

Am Vormittag war das Thema „Auto“ Diskussionsschwerpunkt. Inwiefern ist das Auto schuld an den krebserregenden Stoffen in der Luft?

In Ballungsgebieten, so der Länderauschuß für Immissionsschutz, ist das Auto zu 80 Prozent Ursache des Kresbrisikos durch Außenluftschadstoffe. Das ist ganz erheblich. Man kann die übrigen Berei

che fast ganz vernachlässigen. Die Hauptträger sind: ganz vorne weg Dieselrußpartikel (etwa zu 63 %), und zu etwa 16 % PAH (Polyzyklisch aromatische Kohlenwasserstoffe) und zu 8% Benzol. Asbest, Cadmium, Arsen, Dioxine kommen unter ferner liefen. Dieselruß, und da eigentlich die Lastkraftwagen, sind entscheidend für die Krebsgefahr aus der Außenluft.

Ist dies ein Plädoyer, Laster aus den Städten zu verbannen?

Es geht bestimmt in die Richtung: Verkehrsveränderung, Verkehrsreduzierung, Nachtfahrverbot von LKW. Es geht aber auch um Tempo 30: Denn durch Temporeduzierung können Schadstoffe erheblich vermindert werden.

Mit der Beschleunigung steigen die Schadstoffe enorm an?

Der Toxikologe Hermann Kruse (Uni Kiel) hat in einem Diagramm zwischen 60 und 120 km/h gezeigt, daß bestimmte Stoffe sehr stark ansteigen. Karsten Smid, der Greenpeace-Vertreter, hat gezeigt, daß bei Tempo 30 noch mal eine starke Reduktion stattfindet.

Was ist für Sie wichtigstes Ergebnis dieser Veranstaltung?

Daß wir uns bei der Verkehrsplanung stärker einmischen müssen als bisher. Interview: Birgitt Rambalski