Lieder von Not und Sehnsucht

■ Der Bremer Solidaritätschor und Argus

Unsere Männer gehen, sie verlassen uns, / damit's uns besser geht. / Wir sehen sie wieder in einem Jahr / — ist das unser Leben?

Diese Zeilen aus einem Klagelied einer griechischen Frau, deren Mann in Deutschland arbeitet, sang der türkisch-deutsche Bremer Solidaritätschor am Freitag abend in der Kunsthalle. Er stellte sein diesjähriges Programm „Frauen und Migration“ vor, das er in enger Zusammenarbeit mit der Bremer Gruppe Argus erarbeitet hatte. Mit Volksliedern, neueren Kompositionen und einigen Gedichten wurde von Frauen erzählt, die in ihrer Heimat schuften müssen und dennoch nicht satt werden, von Frauen, deren Männer und Freunde in eine ungewisse Fremde ausgezogen sind, und vom Dasein fern der Heimat: „Nicht die Fremde ist es, die uns fertig macht — es ist die Sehnsucht.“

Die Volkslieder im Repertoire des Chores beschrieben vor allem diese Sehnsucht; ausgesprochene Frauenlieder sind in der Überlieferung offenbar nicht zu finden. Auch die neueren Lieder (alle im Programmheft übersetzt) blieben bei Klage und Anklage stehen — die Probleme der MigrantInnen müssen so überwältigend sein, daß sich keine Auswege in ihren Liedern niederschlagen konnten.

Rhythmen und Taktarten, an die sich bei uns höchstens ein paar Jazzer trauen, und der lebendige Gesang ließen diese Lieder allerdings nicht allzu melancholisch klingen. Die SängerInnen traten erstmals unter der Leitung von Can Tufan auf, der für einen sehr präzisen und differenzierten Chorklang sorgte und damit vergessen ließ, daß es sich um einen reinen Freizeitchor handelt. Für ein hohes musikalisches Niveau sorgten auch die ausgefeilten Arrangements, mit denen die Gruppe Argus sämtliche Chorstücke begleitete. Diese Gruppe bereicherte das dreistündige Programm außerdem durch Lieder aus den USA, der Slovakei und Deutschland, die den Blick über die Problematik türkischer MigrantInnen hinaus weiteten. Ihren Teil leitete Argus übrigens mit Mozarts „Alla Turka“ ein — nach den türkischen Volksliedern ein beredtes Beispiel dafür, wie wenig er von türkischer Musik verstand.

Die Stimmung in der ausverkauften Kunsthalle erinnerte zuweilen — vor allem in der ausgedehnten Pause — an ein Familienfest: und wenn man sich schon mal trifft, dann tut man das ausgiebig. Wegen des großen Andranges wird das Konzert am 20. März wiederholt; wer dann keine Zeit hat, kann sich darüber freuen, daß Radio Bremen das Konzert mitgeschnitten hat. Wilfried Wiemer

20.3., Kunsthalle, 20 Uhr