■ Stadtmitte
: Im Erfolg liegt das Problem

Die große Presseaufmerksamkeit des Anti-Olympia-Videos hängt offensichtlich an der Schlußszene, in der ein Vermummter gezeigt wird, der einen Gegenstand in der Hand hat und die mit der Aussage unterlegt ist: „We will wait for you“. Die spielerische Androhung von Gewaltbereitschaft ist die Provokation gegen die offizielle Bewerbung mit ihren Heile-Welt-Werbe- Strategien. Das Anti-Olympia- Video ist der Versuch, einen emotionalen Kontrapunkt gegen die übermächtige Sauce der offiziellen Olympia-Bewerbung in der Stadt zu setzen, und diese Aufgabe ist vollständig gelungen.

Das negative Zerrbild der Stadt hat zwar sehr wenig mit der Realität in Berlin zu tun, drückt aber trotzdem die Haltung eines Teils der Anti-Olympia-Bewegung aus. Die groteske Überzeichnung dieses Berlinbildes ist das Kunstprodukt, was diesen Streifen für die Medien so interessant macht.

Im Erfolg liegt aber gleichzeitig auch das Problem für unsere Fraktion. Insbesondere in der Schlußszene wird diese Überzeichnung so weit getrieben, daß auch die Bereitschaft zur Gewalt gegen Olympia herausgelesen werden kann. Dieses Spielen mit der Gewalt gegen die offiziele Politik ist für uns eigentlich das Problem, weil es auch in unseren eigenen Kreisen als Bedrohung und als Provokation für ihre Anti- Olympia-Arbeit angesehen wird.

Diese widersprüchliche Ebene des Films ist nicht zufällig, sondern drückt einen Teil der insbesondere in der Jugend vorhandenen latenten Gewaltbereitschaft aus. In der Jugendkultur, und da insbesondere in den Videos, die von den Musikgruppen produziert werden (bis hin zu Michael Jackson), wird mit dieser Gewaltbereitschaft gespielt und sie wird künstlerisch als Provokation sehr oft eingesetzt. Die Androhung von Gewalt beziehungsweise die Dokumentation von Gewaltbereitschaft ist in diesen Bereichen der Jugendkultur so allgegenwärtig, daß Streifen, die so etwas nicht enthalten, als langweilig angesehen werden.

Vielleicht wird für einige das Problem noch deutlicher, wenn wir uns vorstellen, daß solch ein Video von rechten Gruppen gegenüber Asylbewerbern hergestellt wird. Wir würden uns massiv gegen solch eine propagandistische Vorbereitung von Gewalt wehren und die Urheber politisch angreifen. In Berlin gibt es dazu ein praktisches Beispiel. Zu den letzten Abgeordnetenhauswahlen hat die Rep-Fraktion ein Video erstellt, das einen türkischen Vater mit zwei Kindern zeigt, wie er die Straße überquert. Diese Szene wurde unterlegt mit der Titelmelodie aus „Spiel mir das Lied vom Tod“. Allein aus dieser Kombination von Melodie und Filmszene, ohne weitere filmische Darstellung einer Bedrohung, war das Video für uns ein Beleg für die gewalttätige Ausländerfeindlichkeit der Reps. Durch die öffentliche Kritik (insbesondere von uns) wurde dieser Streifen erst berühmt und hatte einen ähnlichen Presseerfolg wie jetzt unser Anti-Olympia-Video.

Nach der heftigen Debatte in der Öffentlichkeit um diese Schlußszene des Anti-Olympia- Videos sollten die Macher vor allem eins bedenken: der nächste Stein, der in ein offizielles Olympia-Auto kracht, wird uns in die Schuhe geschoben, egal, ob wir etwas damit zu tun haben oder ob der Verfassungsschutz ihn geworfen hat. Weder gute Argumente noch Beweise, daß wir nichts damit zu tun haben, werden verhindern, daß wir als Schreibtischtäter für solche Aktionen glaubwürdig beschuldigt werden. Deshalb ist es notwendig, daß in dem Anti- Olympia-Video dieser mißverständliche Teil so verändert wird, daß der satirische Charakter deutlich wird. Bernd Köppl

Der Autor ist Mitglied der Fraktion Bündnis 90/Grüne.