Politikertourismus strebt Lichtenberg nicht an

■ Lichtenberg unterhält eine Partnerschaft mit einem Bezirk der angolanischen Hauptstadt/ Vielen Ost-Bezirken ist der lokale Rock näher als das globale Hemd

„Im Moment ist unser Budget einfach zu klein und die vor uns stehenden Aufgaben zu groß, um auch noch Partnerschaften mit Städten in der Dritten Welt aufzubauen.“ So die Antwort aus den meisten Bezirksämtern im Osten auf die Frage nach entsprechenden Vorhaben. Dahinter steht offensichtlich die Befürchtung, daß jegliche Beziehung zur Dritten Welt letztendlich auf Geldforderungen hinauslaufen. Auch scheint es, als sähen die meisten Verantwortlichen zwischen Pankow und Köpenick keinen Zusammenhang zwischen dem Nord-Süd-Konflikt und ihren täglichen Aufgaben in der Kommune. Angesichts der sozialen Probleme hier ist das lokale Hemd halt näher als der globale Rock – auch wenn sie täglich zu tun mit den Auswirkungen dieser weltweiten Probleme. Menschen, die vor Krieg und Hunger, vor fremdgemachter Unterentwicklung fliehen, leben in den Stadtbezirken, ihre Anwesenheit hier bringt Konflikte. Diese sind dann allerdings Gegenstand kommunaler Politik.

Nicht nur Auswirkungen globaler Probleme verwalten, sondern etwas tun für die Herausbildung eines Bewußtseins von diesen Konflikten, das will jetzt das Bezirksamt Lichtenberg. In der Zusammenarbeit mit der im Bezirk ansässigen Entwicklungspolitischen Gesellschaft (EPOG e.V.) soll ein Projekt kommunaler Partnerschaftsbeziehungen mit einem Stadtbezirk der mosambikanischen Hauptstadt gestartet werden. Die Idee entstand aus der Arbeit der EPOG, die sich seit mehr als zwei Jahren in der entwicklungspolitischen Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit im Stadtbezirk engagiert und dabei vor allem mit dem Lichtenberger Kulturverein und verschiedenen Ausländerinitiativen zusammenarbeitet.

„Mit unseren Veranstaltungen erreichten wie letztendlich immer wieder den gleichen Kreis, immer wieder jene, die bereits Interesse für die Probleme der Dritten Welt haben“, sagt Renate Gudat von EPOG. „Mit der Unterstützung des Bezirks können die Überlegungen zu diesen Fragen und die aktive Projektarbeit in den Entwicklungsländern nun viel stärker in die Öffentlichkeit gerückt werden, kann man Leute zur Mitarbeit gewinnen, die von sich aus diesen Schritt vielleicht nie gegangen wären.“ Man will humanitäre und soziale Aktivitäten unterstützen, mit denen sowohl die Lage der sozial benachteiligten Bevölkerung verbessert, als auch das gegenseitige Verständnis gefördert werden soll.

Im 5. Stadtbezirk von Maputo will man vor allem mit der Organisation AMAL zusammenarbeiten, deren Mitglieder zum großen Teil aus Ostdeutschland zurückgekehrte ehemalige Vertragsarbeiter der DDR sind. Sie engagieren sich in diesem Teil der mosambikanischen Hauptstadt unter anderem für den Aufbau von Kleinunternehmen. Dabei will die EPOG und der Bezirk Lichtenberg Hilfe zur Selbsthilfe leisten. Vorstellungen gibt es in Lichtenberg auch über die Möglichkeit von Schulpartnerschaften sowie über Zusammenarbeit auf medizinischem Gebiet. Auf keinen Fall soll die Beziehung etwa ihre Erfüllung in „Politikertourismus“ finden. Das betont Bezirksbürgermeister Dr. Mucha vom Bündnis 90/Grüne. Er sieht diese Partnerschaft zunächst vor allem als moralischen Auftrag, der für ihn aus nicht eingelösten Verpflichtungen gegenüber jenen Mosambikanern, die von der DDR als Arbeitskräfte ins Land geholt wurden, resultiert. Von ihnen lebten und leben in Lichtenberg mehr als in anderen Stadtbezirken.

Auch für das Lichtenberger Bezirksamt war die Entscheidung für diese Form kommunaler Entwicklungszusammenarbeit zunächst nicht einfach. Wie überall fürchteten die Politiker finanzielle Verpflichtungen, die die Kraft des Bezirks übersteigen könnten. Inzwischen ist aber deutlich geworden, daß der Part des Bezirksamts vor allem darin besteht, seinen Einfluß und Kontakte einzubringen, zum Beispiel für Aktionen der Öffentlichkeitsarbeit und auch bei der Spendenwerbung. Dieses Engagement kostet die Kommune keinen Pfennig.

Ohne die EPOG hätte sich Lichtenbergs Bezirksbürgermeister für eine solche Partnerschaft sicher nicht entschieden. Und hier liegt vielleicht eine Ursache für die Haltung der anderen Bezirksämter. Zwar waren auf der Informationsveranstaltung des Senats zu diesem Thema im November immerhin fünf der elf Ostberliner Stadtbezirksämter vertreten, doch können sie solche Wege offensichtlich nicht allein gehen. Hier haben die ansässigen entwicklungspolitischen Vereine und Organisationen eine lokale kommunale Verantwortung. Vera Buerschaper