Luxusvillen und saure Nierchen Von Ralf Sotscheck

Es ist immer wieder lustig, das Elend anderer Leute mit anzusehen. Warum soll man damit nicht auch die FernsehzuschauerInnen erfreuen? Der unabhängige britische Fernsehsender Channel4 kam jetzt auf die Idee, eine Unterhaltungsshow zu veranstalten, bei der Obdachlose gegeneinander antreten. Der glückliche Gewinner des Spiels bekommt ein Luxushaus. Die Verlierer müssen wieder zurück in ihre Pappkartons unter Waterloo Bridge.

Freilich geht es den Produzenten nicht um einen billigen Gag, sondern um die soziale Verantwortung. „Wir appellieren an das Gewissen der Menschen“, heuchelte ein Angestellter des Senders. Dieser Bär war dem Programmdirektor John Willis und dem Produzenten Stephen Garrett dann wohl doch zu groß, um ihn der Öffentlichkeit aufzubinden. Sie verweigerten vorsichtshalber jede Stellungnahme. – In der Pressemitteilung heißt es, daß als KandidatInnen keineswegs nur „elende Alkoholiker, die in Hauseingängen schlafen“, in Frage kämen, sondern auch bankrotte Unternehmer, deren Villen gepfändet wurden. Der Produzent sucht jedenfalls noch geeignete TeilnehmerInnen für seine Show, die den zynischen Titel „Come on down and out“ tragen soll. Den ersten Preis, das Luxushaus, habe man jedoch noch nicht gekauft. – Das könnte allerdings ein Problem werden: Es ist eine Sache, sich über die versoffenen Obdachlosen im Fernsehen zu amüsieren, jedoch eine andere, wenn man sie plötzlich zu Nachbarn hat. Schließlich könnten sich die KandidatInnen ja vorher absprechen und den Hauptgewinn im vornehmen Londoner Westend in eine Wohngemeinschaft umfunktionieren. Die Grundstückspreise würden rapide verfallen, und der Ruf des weltberühmten Kaufhauses „Harrods“ wäre ruiniert, kauften die Suffköppe dort ihre Tagesrationen.

Die Obdachlosen-Organisationen sind von der Show-Idee überhaupt nicht begeistert. „Das ist ziemlich lächerlich und geschmacklos“, sagte Joanne Mallabar, die stellvertretende Chefredakteurin der Obdachlosen-Zeitschrift Big Issue. „Damit werden die Obdachlosen zu Witzfiguren gemacht.“ Nick Hardwick von „Centrepoint“, einem Verein für jugendliche Obdachlose, verlangte von Channel4, das Geld für die „triviale Unterhaltungssendung“ einzusparen und es stattdessen Wohlfahrtsverbänden zu spenden. „Obdachlosigkeit ist nichts zum Lachen“, behauptete er.

Vielleicht kann die Fernsehanstalt ihren ZuschauerInnen aber auch mit anderen Programmideen Freude machen. Wie wäre es mit einem Fernsehquiz für Nierenkranke? Wer alle Fragen richtig beantwortet, gewinnt eine Nierentransplantation. Dabei käme es natürlich darauf an, möglichst schnell zu antworten, bevor das Nierchen sauer wird. Oder ein sportlicher Wettlauf zwischen Drogensüchtigen? Der Hauptgewinn: eine vierwöchige Therapie. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. So könnte Premierminister Major aus der Not eine Tugend machen: Nachdem die Zahl der Arbeitslosen die Drei-Millionen-Grenze überschritten hat, könnte er zum Beispiel ein Bridge-Turnier oder ein zünftiges Fingerhakeln für Arbeitslose veranstalten. Der Gewinner wird Programmdirektor bei Channel4. Oder Premierminister.