Brücke über den Öresund tödlich für Ostsee

■ Umweltgericht verpaßt Bauplänen der Stockholmer Regierung Ohrfeige

Stockholm (taz) – Die geplante Brückenverbindung zwischen Kopenhagen und Malmö über den Öresund ist ernsthaft in Frage gestellt. Der „Koncessionsnämnden“ in Stockholm, eine Art Umweltgerichtshof, hat am Freitag vergangener Woche ein vernichtendes Urteil über die ökologischen Folgen der geplanten Straßenverbindung Schwedens mit Europa gefällt. In einer Stellungnahme, die zunächst nur im Rahmen einer beratenden Anhörung über das Projekt erfolgte, kam der Gerichtshof zu dem Ergebnis, das Brückenprojekt könnte die Ostsee killen. Der Öresund sei lebenswichtig für das Überleben des Brakgewässers Ostsee; er werde durch die Brücke so weit eingeschränkt, daß dies eine ernste Gefahr für das Meer darstelle. Würde zur Erhöhung des Wasserdurchflusses der Öresund ausgebaggert – so die Pläne –, werde andererseits das Tier- und Pflanzenleben im Öresund weithin zerstört. Fazit des Gerichts: Der nationale Nutzen des Verkehrsprojekts stehe in keinem Verhältnis zum drohenden Schaden.

Das Projekt einer festen Auto- und Bahnverbindung über den Öresund ist politisch zwischen den Regierungen Schwedens und Dänemarks bereits im letzten Jahr abgesegnet worden. Die Brücke gilt als eines der zentralen Projekte für das verkehrstechnische Zusammenwachsen Europas. Für den ursprünglich für diesen Sommer vorgesehenen formalen Beschluß der Regierung in Stockholm mußte diese auf Drängen der Umweltbewegung aber noch eine Umweltverträglichkeitsprüfung vornehmen. Das jetzige abschlägige Votum des Koncessionsnämnden ist Teil dieser Analysen.

Innerhalb der Regierung Bildt war die eindeutig negative Stellungnahme des mit besonderer Kompetenz und innenpolitischem Gewicht ausgestatteten Gerichts offensichtlich nicht erwartet worden. In seiner Regierungserklärung hatte Bildt auf Drängen des Koalitionspartners Zentrum die Verpflichtung aufgenommen, daß ein Ja zur Öresundbrücke von einem „Nullresultat“ abhängt. Das Gericht urteilte nun: Das Projekt stelle sich als ökologische und damit gesamtgesellschaftliche Fehlinvestition dar. Der jetzige Fährbetrieb sei umweltfreundlicher als eine Brückenverbindung.

Sollte die Regierung Bildt versuchen, von den eigenen Zielen abzurücken, die sie in der Regierungserklärung formuliert hatte, könnte dies zu einer Regierungskrise oder gar einem Bruch der Koalition führen. Das Zentrum hat in einer ersten Reaktion klargemacht, daß die Partei eher heute als morgen das Brückenprojekt vom Tisch sehen möchte.

Und auch auf der anderen Seite des Öresunds hat die Stellungnahme von Koncessionsnämnden die Karten für das Projekt neu gemischt: Der vom dänischen Parlament Folketing noch zu Zeiten der Regierung Schlüter abgesegnete Brückenbaubeschluß müsse neu entschieden werden, forderte hier der Koalitionspartner Radikale Venstre in der jetzigen Mitte- Links-Koalition. Einer Forderung, der sich mittlerweile auch die Sozialistische Volkspartei angeschlossen hat. Und auch innerhalb der sozialdemokratischen Partei, die in weiten Teilen dem Projekt wenig Begeisterung abgewinnen kann, dürfte nun eine neue Diskussion anstehen. Die technischen Probleme und die Überschreitung des Kostenrahmens beim anderen großen skandinavischen Brückenbau, der Verbindung über den Großen Belt, haben die Brückenbaueuphorie in Dänemark kräftig gedämpft. Die Entscheidung über die Öresundverbindung war von Kopenhagen ohne gründliche Berücksichtigung von Alternativen, so insbesondere eines reinen Bahntunnels, und ohne die jetzt in Schweden vorgenommene Umweltverträglichkeitsprüfung durchs Parlament gepeitscht worden. Reinhard Wolff