Vereint gegen die Stellplatzverordnung

■ In Bramfeld, Altona und Allermöhe regen sich "Wohnen ohne Auto"-Initiativen / Tendenziell Wohlwollen in der STEB

-Initiativen / Tendenziell Wohlwollen in der STEB

„Es ist doch so einfach. Die Stadt braucht nur Ja zu sagen.“ Für Ursel Beckmann, Chefkoordinatorin des Vereins „Ökologische Siedlung Braamwisch“, liegt das Gute ganz nah und im Grünen, auf einer Wiese beim Umweltzentrum Karlshöhe. 200 Wohnungen will die Stadt dort bauen. Der entsprechende Bebauungsplan kreiselt derzeit im Behördenkarussell. Auf 12000 Quadratmeter dieser Wiese, von der Stadt für 35 Einfamilienhaus-Parzellen und 41 „Carports“ vorgesehen, hat der Öko- Verein sein Auge geworfen. Er will dort 42 Wohnungen, einen kleinen „Marktplatz“ und ein Gemeinschaftshaus bauen — auf Carports und feste Straßen jedoch verzichten. Pläne haben Architekten des Vereins bereits ausgearbeitet.

Ein echtes Geschenk für die Stadt, meint Ursel Beckmann: „Wir planen und bauen alles selbst, auch die Wege in der Siedlung. Die Stadt spart erhebliche Kosten, Verkehrsbelastungen und hat ein neues Vorzeigeobjekt.“ Dieses Anliegen sprengt jedoch Vorstellungswelt und Regelwerk der Behörden. Sie kontern mit Stellplatzverordnung (mehr als 1 Parkplatz je Wohnung) und der vagen Aussicht, sich die Stellplatzverpflichtung für 15200 Mark pro Platz abkaufen zu lassen. Und: Die Stadt vergibt ihre Parzellen nicht an Gruppen, sondern nur an Einzelantragsteller, die nach einem komplexen Punktesystem ausgesucht werden. Das Ergebnis dieses sozial gut gemeinten Punkteschlüssels, derJugend, Heirat und Kinder besonders berücksichtigt, sind jene seltsam homogenen Familiensiedlungen, die im Verlauf der Jahre kollektiv vergreisen.

Erst wenn der Senat über seinen langen bisherigen Planungsschatten springt, so Ursel Beckmann gestern vor der Presse, habe ihr Projekt eine Chance auf Verwirklichung. Bislang zeigte nur die Stadtentwicklungsbehörde Wohlwollen. Als Sprunghelfer präsentierten sich deshalb die GAL und der Deutsche Kinderschutzbund. Wulf Rauer, Chef der Hamburger Kinderschützer: „Wir unterstützen alle Versuche, die darauf abzielen, die konkreten Lebensbedingungen von Kindern zu verbessern.“ Strukturelle Gewalt gegen Kinder äußere sich in Hamburg vor allem in den Verkehrs- und Wohnbedingungen. Jedes 10. Hamburger Kind wird bis zu seinem 10. Geburtstag Unfallopfer, Autogase stören Immunsystem, Atmung, Haut und Blutwerte. Die Käfighaltung der Kinder tut ein Übriges.

Die GAL springt mit einem Antrag an den Senat zur Seite: Sie will von der Regierung binnen zweier Monate einen Bericht, der alle Neubauprojekte enthält, bei denen ganz oder teilweise auf Auto-Infrastruktur verzichtet werden könnte. Auch Informationen über dadurch mögliche Einsparungen und zwei Modellprojekte „Autofreies Wohnen“ will die GAL dem Senat abringen. Der grüne Verkehrsexperte Helmut Hildebrandt augenzwinkernd: „Mal gucken, ob die SPD ihre Parteitagsbeschlüsse ernst nimmt.“ Anderswo wird längst gehandelt. In Bremen ist die Wohnungsbaugesellschaft Gewoba, Neue-Heimat-Nachfolgerin, gegenwärtig dabei, ein Projekt mit 80 fast ganz autofreien Wohneinheiten zu verwirklichen. Die Nachfrage ist riesig — das Projekt hat bundesweit Aufsehen erregt. In Berlin sind 18 ähnliche Projekte in Vorbereitung. Auch in Hamburg rumort es: Für das Neubaugebiet Allermöhe 3 und die Zeisewiesen in Altona interessieren sich Gruppen, die autofrei in der Stadt wohnen wollen. Florian Marten