Die KUNST des Unfugs

■ Das verschuldete Bremer Theater neigt zur Zerrüttung, seine beiden Chefs sind heillos zerstritten / Heute sitzt der Aufsichtsrat

Immer mal wieder geht Hansgünther Heyme in Frankfurter, Stuttgarter, Münchner Redaktionsstuben, um Donnerkeile wider Bremen zu schleudern; der letzte traf seinen Verwaltungsdirektor Rempe ins Herz: Da hatte am vergangenen Mittwoch der Intendant in der „Süddeutschen Zeitung“ von den Verwaltungsdirektoren geschrieben als den „heimlichen Herrschern“ am Theater, welche „der KUNST“ aus lauter Sparzwang gerne die Gurgel abdrehen und die „inkompetente Politik“ auch noch zu weiteren Greueln ermuntern; alle gegen „die KUNST“, welche Heyme unerschütterlich größer schreibt als irgendwer.

Rempe hingegen zischte intern vom „Ende der Schonzeit für Füchse“ und beklagte sich im „Weser-Kurier“ bitterlich über seinen Intendanten. Damit ist ein Streit endgültig zur Pressesache geworden, der vor Monaten bereits sehr dazu geneigt hatte: Indem Rempe damals der taz das drohende Defizit im Bremer Theater offenbarte, zog er sich schon Heymes Haß zu; seither streut Heyme immer neue Zahlen aus, und sein Verwaltungsdirektor geht hinter ihm her und stellt sie unermüdlich richtig; beider Verhältnis ist infolgedessen unheilbar.

Heute abend wird der Aufsichtsrat der Theater-GmbH von Rempe die neuesten Zahlen in punkto Defizit kriegen: Die Hochrechnung beläuft sich noch immer auf rund 700.000 Mark für die laufende Spielzeit. Kultursenatorin Trüpel, nebenher Vorsitzende des Aufsichtsrates, müht sich um einen Übertrag des Defizits in die nächste Spielzeit, „dann aber“, sagt sie, „muß es vom Theater selber abgestottert werden“. Damit aber die Schulden nach Recht und Gesetz überhaupt geschoben werden dürfen, muß erst einmal das Kapital der GmbH von dürftigen 360.000 Mark auf gut eine Million erhöht werden; mit Finanzsenator Kröning wird bereits verhandelt.

Warum das Defizit nicht, wie versprochen, schon in der laufenden Spielzeit gesenkt werden konnte, hat viele Gründe; die Schließung wg. Asbest allerdings schlägt nicht, wie Heyme bundesweit herumposaunte, mit einer halben Million, sondern nur mit exakt 80.000 Mark zu Buche. Schwerer dürfte wiegen, daß das Bremer Theater ohnedies öfter geschlossen hatte als je zuvor: Seit Anfang der Spielzeit hat es z.B. im Schauspielhaus an ganzen 78 von 180 Tagen überhaupt Theater gegeben. Selbst wenn man Umbautage und andere Unvermeidlichkeiten abzieht, kommt man noch auf 67 Abende, an denen ohne weiteres hätte gespielt werden können.

Helga Trüpel will denn auch im Aufsichtsrat dem Theater nahelegen, „die Einnahmen zu erhöhen“. Zumal es bei den Ausgaben auch nicht so genau geht: Der Ausstatter Wolf Münzner läßt sich für sein stattliches Ausstattergehalt rein gar nicht mehr sehen und tourt stattdessen von Auftrag zu Auftrag durch die Republik; die Arbeit an der Bremer „Boheme“ hingegen warf er kurzerhand hin, weil ihm sein Etat zu geringfügig war.

Und Franz Peschke, geführt als „Dramaturg und künstlerischer Berater des Intendanten“, hat für seine 6.000 Mark per Monat auch noch nichts getan außer ein flaues Weihnachtsmärchen inszeniert, wofür er allerdings 35.000 Mark extra einstrich; seither wurde er nicht mehr gesehen, und seine Sekretärin im Theater sitzt nägelkauend auf halber Stelle ihre Tage ab.

Mit sich selber schließlich ist Heyme erst recht nicht knickrig: Während sein Vorgänger Tobias Richter 190.000 Mark Jahresgehalt für ausreichend befand, kassiert Heyme gleich 360.000 Mark und liegt damit, entgegen anderslautenden Gerüchten, bundesweit so ziemlich an der Spitze. Selbst der gefeuerte Chef des reichsten deutschen Theaters, nämlich Gönnenwein in Stuttgart, hatte sich mit 259.000 Mark begnügt. Das paßt zu den Zahlen der Zeitschrift „Theater heute“, welche ermittelte, daß, von zwei, drei Einzelfällen abgesehen, Theaterintendanten heutzutage zwischen 150.000 und 250.000 Mark verdienen.

Ob Heymes erste Spielzeit dem Gegenwert eines Rekordlohns standhält? „Wer verdient wie ein Wirtschaftsmanager, müßte sich auch nach deren Kriterien bewerten lassen“, sagt Rolf Rempe. „Es scheint, als ob da aus Ehrfurcht der Politik vor großen Namen andere Rücksichten genommen würden.“

An Showtalent jedenfalls mangelt es dem Intendanten nicht: Sein Ausstatter Münzner säte im Theater das Gerücht aus, der Chef wolle gleich nach der Aufsichtsratssitzung der Öffentlichkeit seinen Rücktritt zum Ende der nächsten Spielzeit verkündigen. Manfred Dworschak